EIKON #89

Internationale Zeitschrift für Photographie und Medienkunst / International Magazine for Photography and Media Art

Antonionis Meisterstück Blow-Up, aktuell Basis einer Ausstellung, die für ein Jahr durch Wien, Winterthur und, bis Anfang April, Berlin tourt, nimmt durch die durchdringende Analyse der Fotografie, ihrer Mechanismen und Fehlleistungen einen Sonderstatus in der Geschichte des Spielfilms ein. Während die Abfolge der bewegten Bilder (und damit die Handlung des Streifens an sich) dem Genre entsprechend zu einer überzeugenden Narration verwoben ist, liefern die im Film vom Hauptakteur entwickelten Abzüge ein höchst problematisches Zeugnis für ein Geschehen mit unklarem Ausgang. Durch das titelgebende „Aufblasen“ wird die Authentizität des fotografischen Abbilds hier in einem bisher ungekannten Ausmaß zur Diskussion gestellt.
Obschon seither das Verhältnis zwischen fiktionalem und dokumentarischem Gehalt der Fotografie umfassend analysiert wurde, stellen sich heute, fast 50 Jahre nach der Premiere des in London spielenden Kultfilms, vor dem Hintergrund neuer (digitaler) Technologien wieder ganz andere Fragen: Welche Folgen hat das kontinuierliche Wechselspiel zwischen Virtualität und Realität für unseren Alltag? Was geschieht mit der Gesellschaft, wenn durch die permanente Simultanität von wirklichem Leben und digitalem Ebenbild, wenn durch dieses Patchwork aus Realitätsebenen keine schlüssige Geschichte, kein tatsächliches Narrativ mehr entstehen kann? Und wie geht das heute ebenfalls modifizierte Medium Film mit diesen Umständen um?
Unter Berücksichtigung dieser Veränderungen stellt „Im Fokus: Fotofilmische Realitäten“ nun den Versuch an, das Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Illusion anhand fotografischer Abbilder in der zeitgenössischen Videokunst zu untersuchen. Unter der kuratorischen Leitung von Alexander Streitberger, der derzeit die für verschiedene Ausstellungsorte vorgesehene Schau „Passages. Photography in Contemporary Video Art“ in Louvain-la-Neuve (Belgien) vorbereitet, werden sich so nach einer historischen Einführung in das Thema drei Kapitel mit Fragen zu Erinnerungsvorgängen, zur Entwicklung von Identität sowie zur Umweltpolitik im Rahmen von aktuellen künstlerischen Videoarbeiten befassen.

Ihr EIKON-Team mit
Nela Eggenberger