Ein Mann des Volkes

Aufstieg und Fall des Thurgauer Politikers Ulrich Baumann (1851–1904)

von

Wie wird man als Bauernsohn vom Land im 19. Jahrhundert Jurist? Wie wird man als linker Demokrat im vom Freisinn beherrschten Thurgau des frühen Bundesstaats zum Ständerat gewählt – als «Mann des Volkes» gegen die freisinnige Elite? Und wie geht das Leben weiter, wenn man kurz darauf in der Irrenanstalt landet? Das Leben eines längst vergessenen Provinzpolitikers gibt Einblicke in eine Epoche der Schweizer Geschichte, die wenig bekannt ist.
Dieses kaum dokumentierte, aber aussergewöhnliche Leben wirft zum einen ein Schlaglicht auf das Bildungswesen des 19. Jahrhunderts im damals fortschrittlichen Thurgau, zum andern erhellt es einen Wendepunkt der politischen Entwicklung der Schweiz. Der schweizweit kommentierte Ständeratswahlkampf von 1889 ist einer jener Momente, welche die Krise der freisinnigen Alleinherrschaft sichtbar machen und zur Umgruppierung der politischen Kräfte um 1890 führen. Das moderne Parteien­system entsteht: Die Liberalen verbünden sich mit den Katholisch-Konservativen, um gemeinsam die aufstrebende Linke in Schach zu halten. Die kurze Karriere eines Lokalpolitikers am linken Rand des politischen Spektrums ist ein Mosaikstein dieser Veränderung.
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Ulrich Baumann in Irrenanstalten. Das Buch dokumentiert anhand der Krankenakte ein damals nicht seltenes Schicksal: das Leiden an den Spätfolgen der Syphilis und die Hilflosigkeit von Medizin und Psychiatrie im Umgang damit.