Ein verlassener Garten

Gedichte nach Algernon Charles Swinburne

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Es gibt einige wenige Autoren, denen wir die Treue halten, die wir mit uns nehmen, wohin wir auch gehen. Für mich zählen drei oder vier lebende und ein gutes Dutzend verstorbener Dichter zum Bestand. Einer von diesen ist Swinburne, ein Lyriker, den in Deutschland niemand zu kennen scheint. In der Berliner Stadtbibliothek befindet sich ein Exemplar seines Hauptwerks, der Poems and Ballads von 1866. Es wurde seit 1945 dreimal ausgeliehen: dreimal von mir.
Was mich daraus ansprach, war der elegische Tonfall, die Musik der Verse, die Stimmung des Verlorenseins im Unendlichen, das Verströmen der Zeit, von der nichts bleibt als jener trostlos-tröstliche Gesang. Auch das Thema der Schwelle, das für mich bedeutend werden sollte, hier klang es an: die Schwelle zwischen Land und Meer, aber auch Leben und Tod waren immer gemeint. Nicht zuletzt war es die tragisch-heroische Haltung, die mich faszinierte, das Heidentum, jener nordisch-düstere, freie Geist, der zwar an Götter glaubt, nicht aber an Gott. Heute vermag ich auch formale Reize zu bezeichnen: den reichlichen Gebrauch des Stabreims, das schwingende Versmaß des vierfüßigen Anapäst, das immer wieder gebrochen wird und ins Stocken gerät, um dann nur um so weiter sich auszuschwingen und auszusingen. Der Dichter als Sänger. Was weder Rilke noch George war noch Baudelaire: Swinburne verkörpert diesen archaischen Traum.