Essays

von

‚Das Wort ist tot, und in seiner Hülle lebt, von seinem Sinn ernährt, als falsche Natur die Phrase.‘
Die mündliche Rede plappert, man nimmt ihr das nicht übel, der Sprechakt als live-act ist reines Geschehen; aber dass die Literatur vielfach auf dasselbe Niveau herabgestiegen ist, nimmt Dorothea Dieckmann zum Anlass, wieder an einstige Ansprüche zu erinnern: Ingeborg Bachmann und Kafka werden zu ihren Kronzeugen, wenn sie der allgemeinen Beliebigkeit des unterhaltsamen und mediengerechten Vorsichhinplauderns das Verstummen der dichterischen Stimme gegenüberstellt.
‚Worte zu machen, ohne Worte zu machen, zu schreiben, ohne ein Sterbenswort zu sagen‘, das wäre die Aufgabe der Kunst: das nächtliche Dunkel zu erhellen, ohne es an den Tag zu verkaufen, vom Verborgenen zu handeln, ohne es zu verraten. Die Schnelligkeit aber, mit der der Markt nicht nur die Kunstwerke selbst in seine Zirkulation hineinholt, sondern auch die Wörter entwertet, die Sätze auf den Strich schickt, ist beängstigend und alarmierend.

Dorothea Dieckmann hat mit Sprachversagen einen klugen, unerschrockenen Essay geschrieben, unerschrocken im genauen Hinsehen, unerschrocken auch im genauen Benennen. Wie kann man auf den ‚wahren Sätzen‘ (Bachmann) beharren, wenn wir modernen interaktiven Individuen in einer Kultur leben, in der Indifferenz an die Stelle der Differenz getreten ist und der Begriff Literatur auch oft nur mehr den schalen Geschmack eines ›bedeutungsvollen‹ Ornaments hat?