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Hermann Nitsch am Wort von A bis Z

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Der Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch, der 2008 seinen 70. Geburtstag feiert, gilt bereits als Ikone des 20. Jahrhunderts. Nitsch ist ein Anbeter alles Sinnlichen, lebensreligiöser Emphatiker, Pathetiker und Charmeur, philosophischer Kosmiker und zugleich tiefgläubiger Atheist. Der »Rubens der Asketen«, wie ihn Günter Brus einmal nannte, verbindet sanfte Transzendenzträumerei mit einer kompromisslosen Suche nach dem Urexzess. Im Orgien-Mysterien-Theater geht es um die stärksten Empfindungen, inklusive des schlicht Ekelhaften als einer Variante des Grotesken. Das polarisiert.

Seit fünf Jahrzehnten färbt Nitsch die Kunst rot ein und meint damit die Welt. Ebenso lange kommentiert er sein eigenes Schaffen. Dieser Band versammelt 777 prägnante Aussagen, die sich dem Aphorismus annähern. Ist Nitsch ein Provokateur? Wer seine sorgfältig ausgewählten Einlassungen liest, wird schnell eines Besseren belehrt: Da spricht einer, für den Kunst die höchste Quelle der Freude ist, das wahre Fest des Lebens. Die längst kristallisierte Masse des Gesamtkunstwerks zeigt sich in den lebendigen Gedanken noch einmal im Kessel, kochend und brodelnd.