Ex-White / Einmal weiß

Südafrikanische Gedichte South African Poems

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„Können Afrikaner Weiße sein?“ – so fragt der in Südafrika geborene John Mateer in seinem Gedicht „Briefe an einen verlorenen Freund“. Seine Gedichte führen diese Frage ad absurdum. Ist doch selbst Afrikaans, die Unterrichtssprache des früheren weißen Apartheidregimes, ein Mischmasch verschiedener Kulturkreise, in dem die Sprache der schwarzen Bevölkerung mit jener der europäischen Kolonialherren verschmolz. Die eigene Kultur ist immer schon ein Konglomerat verschiedenster Einflüsse. Und so wird das Erleben von Heimat – nicht zuletzt – zu einer Erfahrung des Fremden.
John Mateer verbrachte den Großteil seines Lebens in der Emigration. Aus Angst vor dem Bürgerkrieg floh die Familie nach Kanada, in ein „Emigrantenghetto“, wie Mateer es später nannte. Nach der Rückkehr in die südafrikanische Heimat verschlug es ihn schließlich achtzehnjährig nach Australien, wo er auch heute noch einen Wohnsitz hat. Meistens jedoch ist John Mateer unterwegs. In Europa, in Japan, in Indonesien, in den USA. Die Suche nach einer Heimat ließ ihn nirgendwo ankommen und führt ihn doch immer wieder zu seinen afrikanischen Wurzeln zurück.
Auch in der Lyrik ist Mateer ein Weltreisender, ausgestattet mit dem neugierigen Blick des Fremden. Seine Grundhaltung ist die des Beobachters. Wer sich darauf einlässt, ihn auf seinen lyrischen Reisen zu begleiten, findet sich einer Vielfalt an Bildern, Rhythmen und Einflüssen ausgesetzt, kann aber auch etwas über seine eigene Kultur erfahren. Mateer weiß überraschende Analogien zu gestalten. Seine „südafrikanischen Gedichte“ kennen auch die Stille nach einem Selbstmordanschlag in Israel. Die Welt, das ist das Werden und Vergehen von uns allen. „Die Zeit, das sind wir alle“, heißt es in der letzten Strophe des Gedichts „Briefe an einen verlorenen Freund“.
Mateer durchstreift die europäischen Großstädte, verfolgt politische Unruhen in Berlin, bewegt sich in Metropolen ebenso sicher wie in der afrikanischen Mythologie. Die afrikanische Kultur bleibt jedoch der prägende Moment seiner Dichtung. Sein Afrikabild ist frei von jeder folkloristischen Sentimentalität.
In einer Zeit, in der die Berichterstattung über Afrika in den Medien oft auf Armut, Opfer und Täter reduziert wird, können die Gedichte von John Mateer ein Anreiz sein, hinter die Klischees zu blicken und der Vielfalt des schwarzen Kontinents zu begegnen.
Mirko Wenig / Josef Haslinger

Vom Rand der weit verstreuten südafrikanischen Diaspora aus geschrieben, halten diese Gedichte John Mateers die Flut des Vergessens an und geben uns Eindruck um Eindruck einer vielfältigen und geliebten Heimat.
J. M. Coetzee