Fälle

von

Auf Überraschungen sollte man bei Daniil Charms gefasst sein. Keine seiner Episoden, Szenen und Erzählungen entwickelt sich so, wie man es erwarten würde: Ein rothaariger Mann, der keine Augen und keine Nase und auch sonst überhaupt nichts hat, erweist sich für den Fortgang der Geschichte als völlig unbrauchbar, weshalb der Erzähler beschließt, lieber nicht mehr von ihm zu sprechen; ein Hungriger isst Buletten, die zu wenig Fleisch enthalten, worauf seine Ohren zu Boden fallen und ihn jählings der Tod ereilt; ein Damenbesuch endet damit, dass sie – ritsch-ratsch – eine Glatze bekommt; und eine vier-, nein eigentlich fünfbeinige Krähe wundert sich, wozu sie Kaffee gekauft hat. Charms geht von ganz alltäglichen Katastrophen aus, schildert die Rohheit der Leute, ihre im Unglück endende Dummheit. Das ganze Leben erscheint als eine Kette von tragischen Zwischenfällen, diktiert von Zufällen, voller absurder Komik und schwarzem Humor. Mit Witz, Wortspiel und ohne alle Sentimentalität schreibt Charms wider die Logik des Alltags und bricht damit die Idiotie des Lebens und bedrohliche Lebensrealitäten auf. Peter Urban – Charms kongenialer Übersetzer – liest die ausgewählten Texte vor.