Fontanes Sommerfrischen

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Theodor Fontane, Berliner seit seiner Jugend, hielt es im Sommer in Berlin nicht aus. Der Landwehrkanal führte noch Abwässer und schickte seine Dünste bis hinauf in seine Wohnung in der Potsdamer Straße. Also musste er wegfahren, für zwei, drei Monate in die ‚Sommerfrische‘, an Nord- und Ostsee, in den Harz, ins Riesengebirge, nach Bad Kissingen und Karlsbad oder auch nur in das städtische Umland. Hauptsache, es gab eine Luftveränderung.

Da er diese Reisen oft allein antrat, war nach Hause zu berichten – nicht von seinen schriftstellerischen Arbeiten, die er immer mitnahm, als vielmehr von dem, was ihm an den Urlaubsorten begegnete. Viele hundert Briefe kamen auf diese Weise zusammen, und sie lassen die Umstände des Reisens und Urlaubmachens unter den damaligen Verhältnissen so vollständig wahrnehmen wie kaum einmal sonst. Gegenüber der Familie an die gesellschaftsüblichen Schranken nicht gebunden, spricht er freiweg von allem, was ihn freut, wundert, ärgert. So lernen wir einen immer wachen, gescheiten, schließlich aber doch ‚normalen‘ Zeitgenossen in ihm kennen. Seine Beobachtungen zu Land und Leuten sind bemerkenswert, seine Beschwerden über das Publikum in den Badeorten, die Aussagen zu den Quartierkosten und überhaupt die Schilderung all der Umstände, die der aufkommende Fremdenverkehr mit sich brachte. Und immer ist man angeregt zu vergleichen, was schon so ähnlich und was noch ziemlich anders war.

Aber auch die Bedeutung der Reisen für Fontanes Romanwerk wird sichtbar. Nicht nur übernimmt er ganze Geschichten, von denen er in den Urlaubsorten erfährt, er lernt auch Menschen der unterschiedlichsten Kreise kennen. Welche dieser Eindrücke er wohin übertragen hat, ist zwar meist nicht erkennbar, aber dass sich sein ganzer Horizont durch sie erweitert hat, steht außer Frage.