Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg

Spektren interdisziplinärer Auswertung von Orten der Gewalt

Seit einigen Jahren rücken Schlachtfelder auch in Deutschland mehr und mehr in den Fokus der archäologischen Forschung. Ging dies zunächst von historisch überlieferten Ereignissen wie den Schlachten des Dreißigjährigen Krieges, der napoleonischen Zeit oder der für das deutsche Nationalgefühl lange so wichtigen Varusschlacht aus, lassen sich auch Gewaltereignisse ohne historische Überlieferung inzwischen zunehmend besser interpretieren. Stichworte sind hier Eulau, das Tolensetal oder das Harzhorn.
Insbesondere die vermehrte Entdeckung von Einzelknochen und Knochengruben sowie Einzel- und Massengräbern in den letzten Jahren bietet eine bis dato nicht vorhandene Informationsfülle. Neben der Archäologie und Anthropologie sind nun naturwissenschaftliche Spezialdisziplinen gefragt. Sie liefern detaillierte Daten zu den Verstorbenen und ermöglichen es, die sich auf Schlachtfeldern oder andernorts ereigneten Gewaltaktionen zu rekonstruieren. Die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Archäologen und Historikern bei der Analyse historischer Konflikte liefert zudem Anregungen für die Interpretation kriegerischer Ereignisse während vor- und frühgeschichtlicher Zeit.
Ausschlaggebend für die Ausrichtung der Tagung war die Entdeckung eines Massengrabes mit 125 bestatteten Soldaten aus der Schlacht von Wittstock (1636) im Frühjahr 2007. Die große Anzahl beigesetzter Männer, die detaillierte archäologische und anthropologische Dokumentation sowie die vollständige Bergung aller Skelette und Einzelknochen begründete eine wissenschaftliche Sonderstellung des Befundes. Bei der Auswertung trug ein Team aus Archäologen, Anthropologen, Paläopathologen, Archäometrikern, Humangenetikern, Medizinern, Historikern, Numismatikern und Geoforschern sowie Fachleuten aus den Bereichen Ballistik, Forensik und Waffenkunde zur Analyse bei. Der interdisziplinäre Forschungsansatz erlaubte eine weitgehende Rekonstruktion nicht nur der Geschehnisse auf dem Schlachtfeld. Vielmehr ermöglichte er die Ergänzung der bekannten historischen Daten sowie die Betrachtung der Ereignisse aus einem unüblichen Blickwinkel: dem des in den Schriftquellen zumeist vernachlässigten „kleinen Mannes“.
Die Tagung führte Forscher der unterschiedlichen Fachrichtungen aus ganz Europa zusammen. Der chronologische Rahmen spannte sich von der Jungsteinzeit über die Bronzezeit, die römische Kaiserzeit und das Mittelalter bis in das 19. Jh. Wir freuen uns, dass viele Referenten ihre Beiträge auch schriftlich eingereicht haben. Der Tagungsband gibt somit einen hervorragenden Einblick in den Forschungszweig der Schlachtfeldarchäologie.