Fortschritt als Ideologie: Wilhelm Ostwald und der Monismus

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„Aus den Irrtümern sonst bedeutender Gelehrter lernt man oft mehr, als aus den Korrektheiten von Nullen“ – so urteilte Max Weber, der Gründungsvater der deutschen Soziologie, über die weltanschaulichen Streifzüge des Chemienobelpreisträgers von 1909 und dessen „energetische Grundlagen der Kulturwissenschaft“.
Wilhelm Ostwald galt seinen Zeitgenossen um 1900 nicht nur als renommierter Naturwissenschaftler, sondern bald nach seinem Rückzug aus dem akademischen Alltagsgeschäft auch als einer der umtriebigsten und umstrittensten Intellektuellen seiner Zeit. Als Vorsitzender des deutschen Monistenbundes etablierte er sich zwischen 1911 und 1915 als Leitfigur einer optimistischen und wissenschaftsfixierten Weltanschauung, die sich gegen den zunehmend zivilisationskritischen Zeitgeist in Deutschland auflehnte. Im Namen des Fortschritts und der Modernisierung nahm Ostwald kein Blatt vor den Mund und inszenierte sich bewußt als Nonkonformist in der wilhelminischen Gesellschaft.
In dieser ideengeschichtlichen Untersuchung rekonstruiert der Autor diese Konfliktlinien und deckt dabei Sackgassen und Irrwege, aber auch das modernisierende Potential der monistischen und ostwaldschen Gedankenwelt auf, die in mancherlei Hinsicht wenig an Aktualität eingebüßt hat.