Fränkische Geschichten

von

Meine Cousine Edeltraud war als Kind schon so wie später als Erwachsene: Groß, dünn, zäh und vom Pech verfolgt. Ihr passiert eigentlich dauernd irgendwas Dummes: Sie vergisst zum Beispiel irgendwo ihren Schirm oder steigt in den falschen Zug, und wenn ihr einmal der Schlüssel in den Gully fällt, dann bestimmt in einer stockfinsteren Nacht. Sie hat das von ihrem Vater geerbt, dem Gütler und Krauthobler Ernst Beck, der vier Töchter in die Welt setzte, ehe er davon Abstand nahm, einen Sohn zeugen zu wollen. Die Edeltraud war die älteste, gefolgt von Heimtraud, Waltraud und, zu guter Letzt, Gertraud. Mein Onkel Ernst Beck, auch genannt der Becken Ern, war alles in allem ein maulfauler und geistloser Bursche. Aus diesem Grund vermutlich enden so gut wie alle Kindheitsgeschichten meiner Cousinen mit einer Ohrfeige, oder, wie man bei uns in Franken sagt, mit einer Trumm Schell’n. Keines der Mädchen aber sammelte davon so viele ein wie die arme Edeltraud, die das Pech anzog wie meiner Mutter ihr schwarzes Samtkleid Fusseln.