Fräulein, der Hundefänger kommt!

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Weihnachten in einem Ferienhaus am Hawkesbury River nördlich von Sydney. Ein Vierteljahrhundert lang haben Nela und Joe, tschechische Exilanten, hier ihre Wochenenden verbracht und mit einer eingeschworenen Runde ebenfalls tschechischstämmiger Freunde rauschende Feste gefeiert. Doch aus der einstigen Idylle am Rand der Wildnis ist ein Ort der Tristesse geworden: Nela ist seit Monaten tot, ihr Mann Joe nach einem Schlaganfall gelähmt und der Vernachlässigung durch seinen egoistischen Stiefsohn Pét’a hilflos ausgeliefert. Als Kind von seiner Mutter bei deren abenteuerlicher Flucht aus der stalinistisch regierten Tschechoslowakei zurückgelassen und erst viel später nach – gekommen, verludert Pét’a den ererbten Besitz und lebt mit der jungen Betty, einer ehemaligen Prostituierten, in den Tag hinein. Einzig die Schäferhündin Bojana, deren Stammbaum ebenfalls nach Europa zurückreicht, steht Joe treu zur Seite. Ihrem Freiheitsdrang folgend und aus Liebe hat sie, das „Fräulein aus der Stadt“, einst mit einem Rudel wilder Hunde das abenteuer – liche Leben im Busch kennengelernt. Alt und wie Joe von Krankheit gezeichnet, sieht sie sich nun vom Tod bedroht, den sie in der Gestalt eines imaginären Hunde – fängers wittert. In ihren Gedanken und Träumen nehmen die alten Zeiten noch einmal Gestalt an, lässt sie ihr Leben und die Schicksale ihrer Freunde, Menschen wie Tiere, Revue passieren. Der Leser begleitet Bojana durch einen Tag – bei einer Gratwanderung zwischen Gegenwart und Vergangenheit, mit Reflexionen über Leben, Tod und den Wert der Freiheit.
Mit der Lebensgeschichte der Schäferhündin Bojana und der sie umgebenden in der Diaspora lebenden tschechischen Immigranten rollt Edgar Dutka mit raffinierten Erzählstrategien ein Stück Geschichte des 20. Jahrhunderts auf. Aus der reizvoll verschobenen Perspektive eines Hundes, mit lakonischer Sprache, spinnt er ein spannendes Geflecht menschlicher und tierischer Schicksale, verwoben mit Reflexionen um grundlegende existenzielle Fragen. Grenzen und Grenzüberschreitungen bestimmen die zentralen Themen in diesem Buch – verlorene Heimat und neues Zuhause, Ordnung und Auflehnung, Zivilisation und Wildnis, Schuld und Chance, Bequemlichkeit und Freiheit, Leben und Tod.