Freiheitsübungen und andere Kleine Prosa

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Die splitternackte Schwarze, die sich bei frostklirrender Kälte auf dem Trottoir wäscht, und die New Yorker eilen mit hochgeklapptem Kragen vorbei; zwei Männer und eine Frau, die in einem Pariser Park die immer gleichen Runden drehen, und mit ihnen läuft ein geheimes Leben; oder der in einen Müllsack gehüllte Bettler, der, wie in einem rituellen Tanz, ununterbrochen brüllend herumhopst — solche einprägsamen sozialen Bilder, Freiheitsübungen eben, notiert Péter Nádas heute, nach seinem Leben in der Diktatur. Seine Folgerung daraus gleicht einer Bankrotterklärung: Freiheit scheint zu bedeuten, «dass die Realität meiner Umstände immer den Vorrang hat vor der Verpflichtung, Orientierungspunkte zu finden». Ein erschreckender Spiegel. Aber Nádas’ leise und präzise formulierten Beobachtungen haben diese Wirkung: Woher man kommt, aus dem Osten oder Westen, man wird in seiner Sicherheit erschüttert. Ob es um Ceauºescus Hinrichtung geht, die er in einer TV-Sendung zur Weihnachtszeit sieht, oder um ein Interview der Mutter Teresa — Nádas zieht den Leser »in das Labyrinth der Selbsterkenntnis. Und das macht diese Erzählprosa so verführerisch« (Földényi).