Gefangene Engel – Eine Schar der dunklen Seite

Moderne Lyrik aus dem Nachtbereich unserer Existenz, mit ganzseitigen Zeichnungen

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Alberti beschreibt mit wenigen Worten, wie von draußen, den Prozess der Verfertigung seiner Gedichte:

„Als Gast der Nebelschwaden schrieb ich, im Dunkeln tastend, ohne das Licht anzumachen, zu jeder beliebigen Nachtstunde, mit einem Automatismus, der nicht gewollt war, mit einem spontanen, bebenden, fieberhaften Drang, der es mit sich brachte, dass die Verse einander zudeckten und es mir manchmal nicht mehr möglich war, sie bei Tage zu entziffern.

Meine Sprache wurde schneidend, gefährlich wie eine Degenspitze. Die Rhythmen sprangen in Stücke, und jdeder Engel schwang sich empor in Funkengestiebe, in Rauchsäulen, in Aschewirbeln, Staubwolken.

Doch mein Gesang war nicht dunkel, der wirrste Nebel verfestigte sich, wand und schlängelte sich, wie eine glutrote Viper.

Ich hatte das Paradies verloren, vielleicht das der unmittelbar hinter mir liegenden Jahre, meiner hellen, allerfrühesten Jugend, die fröhlich war, ohne Probleme. Ich fand mich plötzlich um alles gebracht: kein Blau hinter mir, die Gesundheit aufs neue angeschlagen, zerrüttet, zerbrochen im tiefsten Inneren meiner selbst. Niemand folgte mir nach.

Ich konnte nicht schlafen, die Haarwurzeln und die Nagelbetten taten mir weh, ich quoll über von gelber Galle, und rasend vor Schmerz biß ich in die Kissen. Wieviele wirkliche Dinge hatten mich vor sich hergestoßen, bis ich, wie ein niederkrachender Blitz, in jenen gähnenden Abgrund stürzte!

Die Kindesängste, die in Böen über mich herfielen, mich überschwemmten mit Reuequalen, Zweifeln, Höllenfurcht, düsteren Echos aus jenem Jesuitenkolleg, das ich liebte und durchlitt in meiner Bucht von Cadiz; die Unzufriedenheit mit meinem bisherigen Werk; meine Hast, etwas, das unablässig mich daran hinderte,irgendwo innezuhalten, mir keinen Augenblick des Atemholens gönnte; all dies und noch vielerlei anderes, Widersprüchliches, Unerklärliches, Labyrintisches.

Was tun, wie reden, wie schreien, wie Form geben dem wirren Dickicht, in dem ich mich herumschlug, wie mich wieder erheben aus diesem Katastrophenschlund, in dem ich versunken war?

Immer tiefer wühlte ich mich in die Ruine meiner Selbst hinein, vergrub mich unter den eigenen Trümmern, mit zerissenen Eingeweiden,gesplitterten Knochen. Und da offenbarten sich mir die Engel, nicht gleich die christliche, wie sie körperhaft auf den schönen Gemälden oder Stichen erscheinen, sondern als unwiderstehliche Kräfte des Geistes, die sich den trübsten, geheimsten Zuständen meiner Natur anverwandeln ließen. Und im Schwärmen ließ ich sie oft los auf die Welt: blinde Wiederverkörperungen alles Blutigen, Trostlosen, Todesqualerfüllten, Schrecklichen und manchmal Gutem, das in mir war und mich umringte.“