Geschlossene Anstalt

Ein deutsches Internat

von

„Das kann man doch nun wirklich nicht aushalten hier, oder?“ fragt Till, die in ein koedukatives Internat mit rückwärts gewandter Erziehung gesteckt wird. Gestützt auf einen hierarchischen Unterdrückungsapparat beherrscht der Schuldirektor diese weltabgeschiedene Geschlossene Anstalt.

Mit Feuereifer und moralischem Waschlappen, beflügelt von der Blauen Blume im deutschen Tann sowie von Agnes Miegel und Christ und Welt zieht das Internat gegen den Leibhaftigen zu Felde, der das Abendland mit Papierschnitzelchen und amerikanischen Nietenhosen, mit dem umstürzlerischen Spiegel oder Böll, am teuflischsten aber mit unverhüllten Mädchenarmen bedroht.

Ein Jammertal für Till, die in ihrer Gazellenanmut dem Internatsleitbild der unscheinbaren Frau krass entgegensteht? Keineswegs: In dem knappen Jahr, in dem der Roman spielt, wird sie erwachsen und selbstbewusst, wobei sie rollenflexibel lernt, zwischen dem internatstypischen Lügenweg mit seinen verstohlenen Verstößen und opportuner Anpassung zu jonglieren. Und wenn Till in der Internatsgemeinschaft himmlische Musik macht, dann öffnet sich die Geschlossene Anstalt sogar und lässt ein Stückchen Paradies herein.

Irdischen Beistand findet Till in ihrem Freundeskreis. Solange die Liebesgefühle in diesem verzwickten Beziehungsgeflecht die Solidarität nicht überlagern, tricksen die vier die Lehrerknute aus. In komischen szenischen Dialogen offenbaren sich hohles Direktorenpathos und geheuchelte Pädagogenaskese.