Gestaltung als offenes Prinzip

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Anfang der sechziger Jahre war der Bau eines Hauses aus vorgefertigten Platten ein Experiment. Im Durchschnitt hatten die Wohnungen in den Plattenbauten eine Größe von etwas weniger als fünfzig Quadratmetern. Wie sollten die Räume angeordnet werden? Konnte man auf die Wohnküche verzichten, wenn doch ohnehin alle Familienmitglieder in Betrieb, Schule oder Kindergarten zu Mittag aßen? Und wo sollte der Arbeitsplatz sein, an dem man abends die Hausaufgaben für das Fernstudium erledigte? Womit sollte die Wohnung eingerichtet werden? Mit den üblichen voluminösen Sesseln und Gelsenkirchener Barock?Der damals dreißigjährige Rudolf Horn entwickelte gemeinsam mit anderen Gestaltern und Architekten die Ideen für die ersten Plattenbauwohnungen. Hell und licht sollten sie sein, alles Schwere hatte dort keinen Platz. Für den Versuchsbau wurde jedes Möbel neu entworfen: leicht und licht waren auch sie. Schnell erkannte Horn, dass der große Bedarf an Möbeln für diese Wohnungen nur gedeckt werden konnte, wenn man für die große Serie entwarf.Es gehört zu seinen Grundüberzeugungen, dass die industrielle Produktion von Möbeln höchste Qualität hervorbringen kann und er sieht es als eine der wichtigsten Aufgaben des Gestalters an, deren unerschöpfliche Vielfalt unter Beweis zu stellen. Folgerichtig entwarf Rudolf Horn zunächst An- und Aufbaumöbel und ging dann einen Schritt weiter und elementarisierte das Möbel so weit, dass der Nutzer sich jede beliebige Möblierung selbst zusammenstellen konnte – der Nutzer als Finalist. Anfang der siebziger Jahre folgt ein nächster Versuchsbau – die innenwandfreie Wohnung. Erst wenn der Nutzer die gesamte Wohnung selbst gestaltet, kann sie seinen ureigensten Bedürfnissen entsprechen. Schon bei den elementarisierten Möbeln hatte Rudolf Horn gelernt, dass die Fantasie der Nutzer das Vorstellungsvermögen eines einzelnen Gestalters bei weitem überschreitet.In dem Buch erzählt Rudolf Horn, welche Motive seine Gestaltungslösungen hervorgebracht haben. Lernen kann man von ihm, dass es sich lohnt, die drängenden Probleme einer Zeit gestalterisch zu befragen. Daraus entsteht nicht nur eine große Vielfältigkeit der gestalterischen Entwürfe, sondern auch eine beeindruckende Nachhaltigkeit.