Gestell und Ungestalt

Fassung erster Hand

von

Nennen wir es augenblickliches, erstes Schreiben, erste Sprache der Erinnerung – ihre grünen Früchte.

Momentum: das Noch-Nicht-Geronnene – als suche, beginne das Schreiben, gerade jetzt eine Form zu finden, oder als dürfe, könne es selbst bleiben, verharren, einen Augenblick in der unendlichen Fülle, in der Brüchigkeit und Flüchtigkeit seines Stoffs: sich fremd in dessen Ungestalt.

Die Zeit – kurz nach dem Ereignis, den Zwischenfällen, Begebenheiten, nahe ihrer Wahrnehmung, ihrer Beobachtung. Die Zeit – kurz vor der Ablagerung, Verschüttung oder gar ihrem Verschwinden. Die Zeit vielleicht noch vor der Skizze.

Nicht der Stoff im Hinblick auf ein Thema, Motiv. Belanglose Folge. Ohne Absicht, ohne Zweck, ohne Linie – sein Eigensinniges und Eigentätiges: sein Zufälliges, Unbändiges, Diffuses.

Nicht der Glaube an die Freiheit (oder gar Unschuld) dieses Augenblicks – der Wille zum Unmittelbaren erliegt zuerst dem Zwang. Das Unmittelbare – seltsames Begehren, merkwürdig fixe Idee – flieht unserem Bewußtsein immer schon voraus in die Unendlichkeit.
Der Glaube aber an die Neugier der Sprache – auf die Leichtigkeit der Ordnung, die dunkle Organisation des Erinnerns, die Ästhetik seiner Augenblicklichkeit.

Ich berichte nicht. Ich analysiere nicht. Ich eigne mir nichts an. Ich liefere mich aus. – einer unmöglichen Erzählung des Erinnerten. (Ihre Unmöglichkeit ließe sich definieren, über folgenden Ort: eines Schreibens ausschließlich von innen her.)

Vor diesen wenigen Pfählen am Abgrund beginnen. Den wahnwitzigen, den paradoxen Versuch, inmitten eines jungen Erinnerns teilnehmend nachzubilden, wie dort verwandelt geschieht, was geschah. Und daher niemals so geschehen ist. Jede Erinnerung vergeht, bleibt einmalig, im Nu. (Klappentext)