Gottlose Gottsucher

Gustave Flauberts 'Die Versuchung des heiligen Antonius' und Friedrich Nietzsches 'Also sprach Zarathustra'

von

Julian Barnes hat seine Haltung zu Gott in einer paradoxen Wendung zusammengefasst: Er glaube nicht an Gott, aber er vermisse ihn. Barnes ist deswegen noch lange kein ‚gottloser Gottsucher‘. Martin Walser wiederum, der dieses Dilemma ähnlich formulierte, hat sich in den letzten Jahren als ‚Gottsucher ‚ deklariert, der gottloses Dasein nicht einfach mit einem Achselzucken quittiert.
Der Literaturwissenschaftler und Essayist Andreas Puff-Trojan hat sich ebenfalls auf die Suche nach Gott begeben – mit zwei Weggefährten: dem heiligen Antonius und dem tanzenden Zarathustra. Oder sind es vier Weggefährten, da Nietzsche und Flaubert ihren beiden Figuren gefährlich nahe kommen? Da Puff-Trojan in seinem Text aber (als Ich) nicht vorkommt, sollte man vielleicht besser sagen: Er ist dem Dichter und dem Philosophen und ihren beiden Protagonisten auf ihren Wegen zu Gott und den Göttern gefolgt – denn sie alle gemeinsam sind Weggefährten.
Antonius und Zarathustra stehen zu Beginn ‚am Berg, blicken hinab – ins Tal. So wirken sie auf den ersten Blick erhaben (und zugleich entrückt). Erhaben über eine Welt, deren Walten und Schalten, deren Tun und Lassen, deren geglücktes Streben und vergebliches Mühen, deren Schein und Sein unter ihren Blicken schicksalhaft abläuft. (…) Vergessen wir aber nicht: Wer hoch am Berg steht und tief hinab ins Tal blickt, den kann allerdings auch Schwindel erfassen. Denn man weiß, dass man stürzen kann.‘
Für Flaubert wie Nietzsche scheint klar, dass mit dem Credo der Aufklärung ‚Ich denke, daher bin ich‘ (allein) keine Erkenntnis unserer Welt möglich ist. Für Antonius und Zarathustra (und ihre Schöpfer) bedeutet dies, Erkenntnis auch durch andere – ekstatische – Bewusstseinszustände zu erlangen. So gelangen sie zu zwei Aussagen: ‚Der Geist ist Flamme‘ und ‚Die Asche des Göttlichen ist des Menschen Ekstase‘. – Wohin wird diese Erkenntnis die beiden führen, und uns, die wir den beiden folgen?
Andreas Puff-Trojan hat mit seinem Essay in gottlosen (manche würden sagen: in halt- und orientierungslosen) Zeiten, die das Individuum gleichermaßen vergöttern wie zum austauschbaren Menschenmaterial degradieren, ein mehr als aktuelles Buch geschrieben: Können wir ohne Religion leben? Wie gehen wir mit religiösem Fanatismus um? Wie viel Ekstase ist unserer Gesellschaft zumutbar? Ist der Geist der westlichen Welt überhaupt noch entflammbar? Und wenn ja, wollen wir das?