Grenzgänger

Grieshaber und die DDR

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Aus Anlass des 100. Geburtstags des Künstlers wirft das Kunstmuseum Spendhaus einen Blick auf einen wenig bekannten Aspekt im Wirken HAP Grieshabers (1909-1981).

Seit Mitte der 1960er Jahre war HAP Grieshaber regelmäßig in der DDR zu Gast. 1965 hatte er auf der Internationalen Buchkunst-Ausstellung einen Preis gewonnen, was ihm zunächst in Fachkreisen eine gewisse Bekanntheit verschaffte. Daran anknüpfend bemühte sich Rudolf Mayer vom Verlag der Kunst Dresden bei HAP Grieshaber um eine kleine Edition originalgrafischer Arbeiten, nicht ahnend, was sich daraus entwickeln würde. Grieshaber schuf dafür eines seiner umfangreichsten und populärsten Werke – die vierzigteilige Farbholzschnittfolge Totentanz von Basel. Die Motive entworfen und geschnitten von Grieshaber auf der Achalm, die Lettern gestaltet vom Leiter der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst Albert Kapr, geschnitten von dessen Studenten und gedruckt von Louis Schröder, stellte das 1966 veröffentlichte Werk eine gesamtdeutsche Erfolgsgeschichte dar.

In den Folgejahren reiste Grieshaber häufig in die DDR und veröffentlichte weitere Publikationen in ostdeutschen Verlagen, so unter anderem zu Pablo Nerudas Gedichtband Aufenthalt auf Erden, die Mappe Christian Wagner / Schartige Sense sowie acht Holzschnitte zu Stephan Hermlins Städte-Balladen. Sogar das erste Werkverzeichnis Grieshabers wurde in der DDR von Horst Zimmermann und Karl-Heinz Kukla erarbeitet und 1978 herausgegeben.

Nicht wenige Zeitgenossen auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze begegneten Grieshabers Wirken argwöhnisch oder gar mit offener Ablehnung und manches Projekt scheiterte. Dennoch konnten seine Werke in zahlreichen Ausstellungen präsentiert und in namhafte grafische Sammlungen der DDR aufgenommen werden.

Die Betonung des humanistischen Erbes und der gemeinsamen Kultur- und Kunsttraditionen der beiden deutschen Staaten über aktuelle politische Differenzen hinweg war Grieshaber vorrangiges Anliegen. Er übte sich in einer stillen Kulturdiplomatie, die dazu beitrug, Barrieren zu überwinden. Eine gemeinsame deutsche Zukunft war seine Utopie, die neun Jahre nach seinem Tod eine ungeahnte neue Chance erhalten sollte.