Gute Nacht

Roman

von

Als Andrej Sinjawskij 1966 zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, kam es nicht nur unter der damals liberalen sowjetischen Intelligenzia zu heftigen Protesten, auch im Westen versuchte man gegen die Härte und Ungerechtigkeit des Urteils zu intervenieren. In der historischen Bewertung wird der Prozess, der in der sowjetischen Öffentlichkeit erstmals so etwas wie eine oppositionelle Bewegung aufkeimen ließ, trotz der harten Strafen für Andrej Sinjawskij und Julij Daniel als ein bedeutender moralischer Sieg gewertet. Zum ersten Mal bekannte sich ein Angeklagter offen und mutig zu seiner Tat, und anders als die großen Schauprozesse der 1930er Jahre endete jener Prozess nicht mit Selbstbezichtigung und Schuldbekenntnis.

Sinjawskijs Roman »Gute Nacht« – ein unverhüllt autobiographisches Werk, an dem er sieben Jahren arbeitete und von dem er selbst sagte, es sei sein wichtigstes Buch – beschreibt seine Verhaftung im September 1965, den anschließenden Prozess und seine Haftzeit im mordwinischen Lager Potjma.

Indem Sinjawskij von den dunkelsten Jahren der sowjetischen Geschichte erzählt, von seiner kommunistischen atheistischen Erziehung, von seiner Liebe zu Majakowskij und den Futuristen, von seiner Freundschaft mit Helene, die später seine Manuskripte in den Westen brachte, versucht er zu erklären, wie und warum er zu Abram Terz, dem »Gauner«, Außenseiter, Oppositionellen, wurde; warum er sich allmählich – trotz seines alltäglichen Daseins als der »stille, sogar bescheidene und langweilige« Mitarbeiter des Gorkij-Instituts für Weltliteratur (wie Sinjawskij sich selbst charakterisierte) – von der sowjetischen Gesellschaft zurückzog und den riskanten Beschluss fasste, im Westen unter dem Pseudonym Abram Terz zu publizieren. Dies alles wird in einer großen epischen Konstruktion entwickelt, die auf chronologische Anordnung verzichtet und ihre Lebendigkeit aus dem assoziativen Rhythmus schöpft. Die Vieldeutigkeit und das Spielerische seines literarischen Stils, die Kraft seiner phantastischen Visionen, das Wirkliche noch wirklicher zu machen – ja, in dem Phantastischen die Wahrheit der Realität zu erfassen – , und der meisterliche Umgang mit dem Absurden und Grotesken machen Sinjawskij zu einem Erben der großen Dichter Russlands, zu einem Nachfolger Gogols und Dostojewskijs.