Heidi Helmhold. Affektpolitik und Raum

Zu einer Architektur des Textilen

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Mit den Muskelgefühlen leben wir in Räumen. Ebendiese hat die architektonische Moderne vergessen. Sie ist formstark und die Biegeschlaffheit von Textillien liegt ihr nicht. Dennoch: Wir puffern, polstern, dämpfen, installieren. Wir verweichen gebaute Architektur. Und wir entlarven uns damit als anhaltend wohnsüchtig – eine Eigenschaft, mit der Walter Benjamin das 19. Jahrhundert zu geißeln pflegte. In der Tat verbauen wir in textile Materialitäten unsere Stimmungen, Bedürfnisse, Sehnsüchte und Emotionen.Im Projekt der Moderne war das Interieur entrümpelt und als der „verstellte, traumverlorene Rückzugsort des Bourgeois“ gekündigt worden. Als Herstellungsort von Individualität ist dieser Rückzugsort jedoch nicht abgeschafft worden, mehr noch: Er fungiert zunehmend als Ort der Leiberfahrung, nachdem der gesellschaftliche Körper an die gesundheitskulturellen Werte von Fitness delegiert worden ist.Heidi Helmhold erarbeitet historisch und systematisch den affektpolitischen Zusammenhang von harter gebauter und weicher, textiler Architektur. Sie entwickelt hierbei Ansätze für einen Textile-Turn in Architektur und Raumtheorie.