Hergelaufen

Erzählung

von

Was muss man tun, um dazuzugehören? Wie erwirbt man die Selbstsicherheit des Einheimischen? Oder ist die Frage falsch gestellt? Vielleicht geht es gar nicht so sehr darum, irgendwo heimisch zu werden. Vielleicht ist es wichtiger, bei sich selbst anzukommen. Aber wo ist bei sich selbst? Gibt es die Stelle überhaupt, und kann man, wenn man sie einmal gefunden hat, für immer dort bleiben? Ist das wünschenswert? Dagegen spricht eine Beobachtung, die man beim Reisen machen kann: Folgenreicher, bedeutungsvoller als die Ankunft und der Aufenthalt irgendwo ist der Aufbruch – selbst dann, wenn es sich um einen unfreiwilligen Aufbruch handelt, eine Flucht.
Mit einer Flucht beginnt das hier Erzählte.
Den Ort, wo die Flucht endet, hat der Zufall ausgewählt. Nichts, das vertraut, nichts, woran anzuknüpfen wäre. Umso mehr ist auszuprobieren, umso mehr ist möglich. Eine Kugel auf einer glatt geschliffenen Marmorplatte, die überall hin rollen kann. Rundum Spielraum, rundum Risiko – Ränder, wo Absprünge fällig werden.
Stürzt man, muss man sich auf das Sicherungsseil verlassen, das zur ureigenen Notausrüstung gehört. Was aber, wenn man auf jemanden trifft, der seine eigenen Spielräume und seine eigenen Risiken sucht? Was, wenn man sich zu einem gemeinsamen Sprung verabredet? Dann genügt es nicht, dass das eigene Seil hält. Dann besteht die Gefahr, dass beide stürzen, auch wenn nur eins der beiden Seile reißt.