Hermann Hesse

Weltscheu und Lebensliebe

von

HERMANN HESSE, einer der letzten Nobelpreisträger der deutschsprachigen Literatur, hat in dem Jahrzehnt seit seinem Tode in Deutschland nicht die Wertschätzung gefunden, die ihm gebührt. Einer oberflächlichen Betrachtungsweise galt er eher als harmloser Romantiker, jugendbewegter Wandervogel oder als Gartenlauben-Poet von Montagnola. In Wahrheit jedoch ist Hermann Hesse (mit Gerhart Hauptmann und Thomas Mann) einer der drei großen Klassiker der Moderne, dessen Lebenswerk eine künftige Literaturgeschichte zu den bleibenden Zeugnissen aus der Zeit der großen europäischen Krisen und Kriege rechnen wird. Ihn so darzustellen, wie er gesehen werden muss unternimmt der Hamburger Literaturwissenschaftler HEINZ STOLTE in der hier vorgelegten umfassenden Monographie. Sie interpretiert das Gesamtwerk Hesses im Zusammenhang mit der Biographie des Dichters, indem sie sein Schaffen als einen einheitlich und folgerecht ablaufenden Prozess begreift. Es gibt keinen harmlosen Hesse (wie noch Alfred Kerr meinte), vielmehr offenbart sich hier das abgründige Bild eines in Widersprüchen zerrissenen, ein Leben lang um Lösungen ringenden, sich selber stets aufs neue in Frage stellenden, zwischen Weltscheu und Lebensliebe, Leidenschaft und Klarheit umhergetriebenen Menschen, der die Spannungen seiner im Grunde unaufhebbaren Gespaltenheit in großen ambivalenten Symbolen ausprägt, um sie ertragen zu können. Seine Weisheiten sind keine billigen Tröstungen, sondern wagemutige und trotzige Verschanzungen im Vorfeld, in der Grenzsituation des Menschlichen. Es gehört zu den bemerkenswertesten geistesgeschichtlichen Erscheinungen unserer Gegenwart, dass das Werk Hermann Hesses in den letzten Jahren in den USA eine geradezu sensationell zu nennende Beachtung und Verbreitung gefunden hat. Riesenauflagen seiner Werke werden gedruckt, eine weltliterarische Fernwirkung bahnt sich an, wie sie der Autor (dessen Werk eigentlich bisher über den deutschsprachigen Kulturkreis wenig hinausgedrungen war) zu seinen Lebzeiten niemals erzielen konnte. Dem amerikanischen Bestseller-Autor Hesse nun auch in Deutschland wieder Beachtung zu erwecken, diesem Ziel will der Verfasser mit dem hier vorgelegten Buche dienen.