Hoffnung Havanna

Die Odyssee des Regensburger Kunstradfahrers Simon Oberdorfer

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Um die Jahrhundertwende brachte ein unternehmungslustiger Varieté-Direktor frischen Wind ins provinzielle Regensburg. Simon Oberdorfers „Velodrom“ war ein Vergnügungstempel. Das staunende Publikum erlebte Pistolenkünstler und Blitzdichter, dressierte Wölfe und die Sängerin Lona mit ihrem lichtscheuen Schimmel. Es gab „elektrische Projektionsschauspiele“ zu sehen und „Kolossal-Gruppenbilder“ des einheimischen Turnerbundes. Die Patrioten inszenierten Kriegsfestspiele und die Sozialdemokraten hielten Volksversammlungen ab. Einmal wurden sogar indische Elefanten zu einem Auftritt gekarrt, wobei einem der Tiere am Bahnhof durch einen Aufprall eines Zugwaggons beim Rangieren beide Stoßzähne aus der Wurzel gerissen wurden.

Entwurzelt wurde im Jahre 1939 auch der Regensburger Jude Simon Oberdorfer. Er verließ seine Heimat-stadt auf der Flucht vor den Nazis. Es war ihm ge-lungen, einen Platz auf der „St. Louis“ zu bekommen. Der luxuriöse Ozeandampfer verließ am 13. Mai die Hansestadt Hamburg. Mit dem Reiseziel Kuba. An Bord waren 906 deutsche Juden. Deren Freude über die geglückte Flucht hielt jedoch nicht lange an. Im Zielhafen Havanna durften die Passagiere nicht an Land. Und auch die amerikanischen Behörden wollten die Emigranten nicht aufnehmen. Eine Odyssee begann mit dramatischen Situationen, mit Verzweiflungstaten und mit Drohungen der Passagiere, sie würden Massenselbstmord begehen.