Ich-Fotografie

Modalität der Kommunikation in Japan seit den 1990er Jahren

von

Der japanische Fotograf Nobuyoshi Araki hat »Ich-Fotografie« in den 1970ern als Bezeichnung für seine Arbeitsweise erfunden, in der es sich um sein eigenes Leben handelt und die eigene Person zur Marke stilisiert wird. Alle seine Serien funktionieren wie Multiplikatoren, die insbesondere in der Populärkultur zum Zweck der Eigenwerbung dienen. Seit den 1980er Jahren stieg sein Bekanntheitsgrad und sein Einfluss trug dazu bei, dass das Phänomen der sogenannten girly-photographers in den 1990er Jahren aufkommen konnte. Daraus resultierte, dass sich die Ich-Fotografie als eine Stilrichtung der japanischen Fotografie entwickeln konnte.
Im visuellen Trend der Ich-Fotografie handelt es sich nicht in der ersten Linie um eine Botschaft, sondern darum, auf der Grundlage von visuell erzeugten Schwebezuständen eine kommunikative Situation zu schaffen – eine Situation, in der die Positionen von Fotograf, Publikum und Objekt grundsätzlich austauschbar sind. Insofern ist die Ich-Fotografie als Modalität der Kommunikation zu verstehen.
Das Ziel dieses Aufsatzes ist es, anhand dieser für Japan spezifischen Ich-Fotografien zu erörtern, auf welche Weise man die fotografischen Produktion und die Rolle der Fotografie in Japan darstellen kann, ohne auf ein Bild des exotischen Japan zurückzugreifen. Bei der Untersuchung werden vielmehr Aspekte und Charakteristika herausgearbeitet, in die das Medium Fotografie im Kontext der visuellen Kultur Japans eingebettet ist bzw. eingebettet wurde. Darüber hinaus ist zu erörtern, aus welchen Gründen die Ich-Fotografie vor allem in Japan eine so große Wirkung erzielen konnte, dass sie in den 1990er Jahren zu einem regelrechten Foto-Boom führte, und wie sie sich konkret im Kontext der japanischen visuellen Kultur entfaltete.