„Ihr steht schon auf unserer Liste!“

Die estnische Exildichterin Salme Raatma

von

1915 in der südestländischen Provinz Viljandimaa geboren, wuchs Salme Raatma in der ersten freien estnischen Republik auf, begeisterte sich für die Literatur und Kultur ihres Landes, sodass ihr Weg vorbestimmt schien: Schriftstellerin zu werden.
Doch privat führte die Heirat mit dem jungen Pfarrer Herbert A. Rosenstein 1938 dazu, dass sie ihr Studium aufgeben musste. Und die zeitgeschichtlichen Wirren machten sie und ihren Mann zu Opfern des Hitler-Stalin-Paktes – als Pfarrersfamilie standen sie „schon auf unserer Liste“, wie ein sowjetischer Offizier der Besatzungsvorhut ihnen unmissverständlich klarmachte. Obgleich keine Deutschen, nutzten Salme und ihr Gatte die deutsche „Heim-ins-Reich-Aktion“, um zu fliehen.
Doch auch dort folgten Flucht und Vertreibung, unsichere Existenzen in der Fremde, bis die Familie – inzwischen mit Kindern – nach Finnland auswanderte. Zum zweiten Mal ein neues Land, eine neue Sprache, ein anderes Leben.
Salme Raatmas Werk, ihre Kindergeschichten ebenso wie ihre Lyrik, verarbeiten diese epochalen Erfahrungen dichterisch, geben ihnen einen tief empfundenen, literarischen Ausdruck: ein großes Dichterinnen-Leben.