Im ersten Kreis

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Solschenizyns großer Roman – eine literarische Abrechnung mit der Stalin-Ära – erschien 1968 unter dem Dantes ‚Göttlicher Komödie‘ entliehenen Titel ‚Der erste Kreis der Hölle‘ und erregte auf Anhieb weltweites Aufsehen. Kaum jemand ahnte damals, daß dieser Erstveröffentlichung ein gekürztes Originalmanuskript zugrunde lag: Um sein Buch bei den sowjetischen Behörden durchzubringen, hatte Solschenizyn im Winter 1964 eine massive Selbstzensur geübt, indem er den fertigen Text nicht nur um 9 Kapitel kürzte und an zahlreichen Stellen ‚entschärfte‘, sondern ihn auch – durch Verlagerung der psychologischen Konflikte auf die abstrakte Ebene ideologischer Auseinandersetzung – in künstlerischer und philosophischer Hinsicht in seiner Brisanz abmilderte. Erst 1978 gab der Autor die wiederhergestellte Urfassung frei. In der Übersetzung von Swetlana Geier liegt nun erstmals der Originaltext eines der erschütterndsten politischen Romane dieses Jahrhunderts im Taschenbuch vor.

‚Die Handlung des umfang- und inhaltsreichen Werkes ist mit ein paar Tagen im letzten Dezemberdrittel 1949 begrenzt und stellt eigentlich einen Kriminalroman vor, der mit der Tat beginnt,. jedoch mit der Verhaftung und genauen Bekann-gabe, wie es in der berüchtigten Lubjanka zugeht, nicht endet: Die Story von dem Staatsrat zweiter Klasse Innokentij Wolodin, der in einer plötzlichen Anwandlung von einer öffentlichen Telephonzelle aus die amerikanische Botschaft in Moskau anruft und einem Attache verrät, daß drüben ein Ehepaar Rosenberg in den nächsten Tagen die Geheimnisse der Atombomben-Herstellung einem sowjetischen Agenten weitergeben werde – dieser aufregende Anfang ist bloß Aufhänger für alles andere. ›Alles‹ ist wörtlich gerneint: vom Sonderlager Marfino in der Nähe der Hauptstadt, vom Leben der Angehörigen ›draußen‹, von den einfachen Aufsehern, von Politfunktionären im Offiziersrang und dem zuständigen Minister bis zu IHM, vor dem sie alle zittern, Stalin, wie er mitten in der Nacht die ihm gegenüber ohnmächtigen Machthaber zu sich zitiert. Ein historisch-soziologisches Panorama also, zwei Jahrzehnte, gesammelt im Brennpunkt jener halben Woche, gegen Ende 1949.‘ (Edwin Hartl in den ‚Salzburger Nachrichten‘)