Im Toaster steckt eine Scheibe Brot

Gedichte

von

Esther Dischereits neuer Gedichtband führt uns einmal mehr ins Entlegene, auf Abwege, auf denen kaum Tritt zu fassen ist. Ihre auf den ersten Blick ebenso beiläufigen wie handfesten Skizzen scheinbar ganz normaler Alltagseindrücke entpuppen sich bald schockhaft als ein Wust aus zerrissenen Ariadnefäden, die verläßlich auf schwankenden Boden leiten. Das fahle Dämmern, das nachts in die gute Stube fällt, ruft die grundlose Leere der Zimmerfluchten im magischen Realismus Hammershøis vor Augen. In dieser Öde balanciert die filigrane Lyrik Esther Dischereits zwischen verängstigten Lupinen und verdorbenen Schalen mit traumwandlerischer Sicherheit ins Nirgendwo, so daß alles Selbstverständliche verweht und das Bizarrste sich als unumstößliche Regel aufspielt. Mit leichter Hand enthüllt die Lyrikerin uns für Augenblicke Dinge, die wir nie zuvor gesehen haben. Syntaktische cutouts unterbrechen das Flüstern der Liebenden, der Alp der völkischen Bedrohung schiebt sich grinsend vor die Hoffnung auf die Zuneigung der Rehe: ‚Die Bäume haben die schwarze Uniform / angelegt und wollen nicht schweigen‘: Das Urvertrauen in die Beseeltheit der Natur bricht ein, wenn am Strand von Plötzensee die Gespenster der Gehängten sich unter die Badegäste mischen: ‚Wir glauben an die Aufmerksamkeit der ID Karte‘. Esther Dischereits Gedichte sind keine Lektüre für Minuten. (Roman Gleissner)