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Ein psychoanalytischer Opernführer

von

Die Essenz der Opernhandlung lässt sich durchaus auf der Ebene der erwachsenen Bühnenprotagonisten Orest und Iphigenie formulieren, die den Weg aus einer archaischen Welt des Hasses und der mörderischen Wut hin zu Gefühlen von Reue und Mitleid finden. Und doch handelt es sich präzise um den frühkindlichen Prozess des Durchschreitens der ‚depressiven Position‘ (M. Klein) gegen Ende des ersten Lebensjahres. Diese Tatsache verweist auf den genialen Doppelsinn dieser mythischen Erzählung. In C. W. Gluck hat dieser Mythos einen Musikschöpfer gefunden, der das emotionale Geschehen in eine Musik zu kleiden vermochte, die nicht nur die Trauer und die Schuldgefühle von Orest und Iphigenie als Erwachsenen ausdrückt, sondern die den Zuschauer unmerklich an jenen Ursprung dieser Gefühle zurückführt, der als eine tiefste Ebene des Erlebens in uns allen schlummert.