Inside Intelligence

Der BND und das Netz der großen westlichen Geheimdienste

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Das Buch „Inside Intelligence – Der BND und das Netz der großen westlichen Geheimdienste“ geht von den Anfängen des deutschen Bundesnachrichtendiensts (BND) aus. Daraus leiten sich bis heute das Image, die Präsenz des BNDs, sowie die jetzigen Beziehungen des BNDs zu anderen dominierenden westlichen Geheimdiensten ab.
Entscheidend ist, dass das Buch auf Tatsachen basiert: Es baut auf den Dutzenden Gesprächen auf, die der Autor Harald Gröhler mit Uschi Mauve führen konnte, die 15 Jahre lang zu Reinhard Gehlen persönlich Zugang hatte und die Tochter einer Freundin Gehlens aus den Zwanziger Jahren ist. Die Daten und der Text weisen somit eine konkret-persönliche, authentische Seite auf, wie sie sonst inzwischen gar nicht mehr zu haben ist. Andere Bücher über den BND – und die Autoren dieser Bücher – sind nie so nah an die zentrale Person Gehlen herangekommen.
Dass der BND nach wie vor etwas Geheimnisvolles, ja manchmal Unheimliches hat und nicht einfach als ein Netzwerk wie andere begriffen wird, liegt vor allem an der Herkunft des BNDs. Die Strukturen wurden schon durch die Vorgängerorganisation festgeschrieben. Das war die als ‚Organisation Gehlen’ in den Sprachgebrauch eingegangene, in Wahrheit lange unbenannt gewesene Spionagegruppierung, die Gehlen von 1946 an aufzog.
Gehlen wird in diesem Buch nicht gehätschelt. Er wird vor allem spöttisch behandelt. Wo kam Gehlen her? Er war Generalmajor der Wehrmacht und in der zweiten Hälfte des II. Weltkriegs Leiter der militärischen Feindaufklärung Fremde Heere Ost.
Am 04.04.1945 entwickelten die drei ‚Feindaufklärer’ Gehlen, Baun und Wessel (der später, ab 1968, BND-Präsident war) ein Aktionskonzept für einen neuen deutschen Geheimdienst in der zu erwartenden Nachkriegszeit. Gehlen wurde zwei Wochen nach Kriegsende in den bayerischen Alpen vom CIC, der Abwehrpolizei der US-Army, gefangen genommen; aber Gehlen verstand es dann, sich ganz an die Amerikaner und ab 1946 an den soeben gegründeten CIA anzulehnen. Mit dem Gründer des CIA, Allen W. Dulles, verband ihn allmählich Freundschaft. Der CIA finanzierte vollständig die Organisation Gehlen, und Gehlen ließ den CIA teilhaben an sämtlichem Material, das die Org (Organisation Gehlen) erstellte. Am 01.04.1956 wandelte Gehlen sein Spionagenetz mit Adenauers Zutun in den BND um.
Die Org und der frühe BND haben in der westlichen Welt eine komplette Generation beeinflusst und von daher auch viele von uns heute Lebenden. Org und BND gaben an bundesdeutsche Regierungsmitglieder und an den CIA die Spionage-Auswertungen weiter: diese Informationen waren immer tendenziell ausgesucht und oft mit kalter Hand überzeichnet. Vor allem auf ihnen fußten lange Zeit die US-Außenpolitik – der Sowjetunion gegenüber – und Adenauers Politik. Der BND wusste darüber hinaus immer die überregionale Presse und die großen Medien zu instrumentalisieren, meist über verdeckt honorierte Journalisten. Org und BND prägten auf die Weise die Wertesysteme des Westens im Kalten Krieg mit, bis in die Mitte der Sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts (BND-Präsident Gehlen wurde 1968 pensioniert).
Die Weichenstellungen aus der entscheidenden Anfangszeit werden bis heute weiter verfolgt. Mit eingegangen wird dabei auf Parallelentwicklungen oder konträre Entwicklungen von anderen großen westlichen Diensten, auf die Verzahnung des BNDs mit anderen fremdstaatlichen Geheimdiensten, auf die Überflügelung des BNDs durch die US-Geheimdienste NSA und NRO, die über gigantische finanzielle Ressourcen verfügen. Die neuen Entwicklungen erscheinen in dem Buch in größerem Zusammenhang. Neue Arbeitsfelder des BNDs und die älteren, teilweise schlicht illegalen – wie der BND-Waffenhandel in Spannungsgebiete hinein – werden deutlich gemacht.
Die Reaktion einer breiten Öffentlichkeit auf die geheimdienstlichen Mega-Ausspähungen ist von den Geheimdiensten so nicht erwartet worden. Vor allem seit Edward Snowden (Juni 2013) ist die Allgemeinheit aufgeschreckt, sie fängt ernsthafter an sich zu wehren. Der BND geriet ein weiteres Mal in den Fokus der Medien. Ausgespäht zu werden, das lässt die Bürger nicht mehr gleichgültig.
Der Autor Harald Gröhler hat den dubiosen, schillernden Mann Gehlen mehrere Male auf dessen Privatgrundstück und in dessen Haus in der Waldstraße in Berg treffen können (unter geheimsten Vorkehrungen Gehlens). Mehrmals sprach er mit einem der entscheidenden Gegner Gehlens, mit Markus (‚Mischa’) Wolf vom Staatssicherheitsdienst der DDR. Insgesamt 5400 Stunden Recherche stellte der Autor an für dieses Buch – und doch nicht zu viel über die mehr denn je uns alle tangierende Geheimdienstwelt.