Jahrbuch Ökologische Ökonomik

Band 5: Soziale Nachhaltigkeit

Während der Fokus des Nachhaltigkeitsdiskurses in den 1980er und 90er Jahren weitgehend auf Umwelt- und Ökologiefragen lag, besteht spätestens seit dem Millenium-Gipfel in Johannesburg ein politischer Konsens darüber, dass die ökologische, die ökonomische und die soziale Dimension der Nachhaltigkeit gleichberechtigt nebeneinander stehen und, mehr noch, sich wechselseitig durchdringen. In diesem „Drei-Säulen-Konzept“ der Nachhaltigkeit wird ein prinzipieller Vorrang der ökologischen Dimension abgelehnt und die Notwendigkeit einer gleichrangigen Berücksichtigung der verschiedenen Dimensionen nachhaltiger Entwicklung postuliert. So hat sich zum Beispiel die Bundesregierung diese Sicht in ihrer Strategie für eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland zu Eigen gemacht. Sie geht davon aus, dass „die umwelt-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele gleichermaßen berücksichtigt werden“ müssen (Die Bundesregierung 2002, Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung. Berlin).
Von wissenschaftlicher Seite ist das Drei-Säulen-Konzept wiederholt infrage gestellt worden. Während Kritiker auf der einen Seite damit die Gefahr verbinden, dass der Nachhaltigkeitsdiskurs auf Abwege gerät, wird von Befürwortern sogar für eine Erweiterung der Mehrsäulenkonzeption plädiert. Der vorliegende Band will jedoch nicht die Diskussion um Säulen oder Nicht-Säulen und schon gar nicht um die „richtige Anzahl“ an Säulen fortführen. Das Anliegen ist vielmehr, für die Erfassung der sozialen Aspekte von Nachhaltigkeit theoretische Ansatzpunkte ausfindig zu machen, um das grundlegende Theoriedefizit in der Bestimmung der Inhalte und Regeln für soziale Nachhaltigkeit zu heilen. Denn die Regeln und Inhalte sozialer Nachhaltigkeit werden in der − politischen − Praxis häufig unsystematisch durch normative Ad-hoc-Setzungen bestimmt.
Der Band kann die Lücke einer fehlenden Theorie sozialer Nachhaltigkeit sicher nicht schließen. Jedoch soll mit Hilfe eines Überblicks über den Stand der Forschung sowie die Präsentation wichtiger Bausteine für eine Theorie Soziale Nachhaltigkeit ein Beitrag zur Belebung der Diskussion um Soziale Nachhaltigkeit geleistet werden. Derartige Bausteine finden sich in der Verbindung von Umwelt- und Sozialethik, dem Konzept der Verteilungsgerechtigkeit im inter- und intragenerationalen Kontext, der Verbindung von Human und Natursystemen in der Systemtheorie sowie gesellschaftlichen Strategien im Umgang mit Risiken und technischen Innovationen, Konzepten des Sozialkapitals, der Lebenszufriedenheit und der Suffizienz.
Der dem Schwerpunktthema „Soziale Nachhaltigkeit“ folgende Beitrag ist den unterschiedlichen Sichtweisen von Robert Malthus und William Wordsworth auf Mensch, Natur und Wirtschaft gewidmet. Die Autoren zeigen auf, wie die auf Wordsworth zurückgehenden Sichtweisen eine ideengeschichtliche Quelle für die Weiterentwicklung der Ökologischen Ökonomik darstellen könnten. Schließlich endet der Band wieder mit einem umfangreichen Rezensionsteil, u. a. zur deutschsprachigen Rezeption von Nachhaltigkeit.
Inhalt
Natalie Mutlak und Reimund Schwarze
Bausteine einer Theorie sozialer Nachhaltigkeit
Konrad Ott und Ralf Döring
Soziale Nachhaltigkeit: Suffizienz zwischen Lebensstilen und politischer Ökonomie
Hartmut Bossel
Koexistenz von Natur- und Humansystemen: Zur Notwendigkeit einer Ethik der Nachhaltigkeit
Niko Paech und Reinhard Pfriem
Wie kommt das Soziale in die Nachhaltigkeit?
Daniela Krysiak
Nachhaltigkeit im Spannungsfeld von intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit
Ortwin Renn, Marion Dreyer, Andreas Klinke und Pia-Johanna Schweizer
Systemische Risiken: Charakterisierung, Management und Integration in eine aktive Nachhaltigkeitspolitik
Sonja Haug und Jean-Yves Gerlitz
Messkonzepte sozialen Kapitals
Bruno S. Frey und Simon Luechinger
Concepts of Happiness and their Measurement
Ottmar Edenhofer und Kai Lessmann
Vom Preis des Klimaschutzes und vom Wert der Erde
Christian Becker, Malte Faber, Kirsten Hertel und Reiner Manstetten
Die unterschiedlichen Sichtweisen von Malthus und Wordsworth auf Mensch, Natur und Wirtschaft