Jennerwein

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Heute noch wird mitunter ein gewilderter Gamsbock am Grab Georg Jennerweins (1848 – 1877) auf dem Friedhof St. Martin im Schlierseer Ortsteil Westenhofen abgelegt, um dem vor über hundertdreißig Jahren erschossenen Wilderer die Ehre zu erweisen. Doch warum genießt der im Jennerwein-Lied sentimental Verklärte immer noch solche Achtung? War er wirklich der aufrechte Volksheld, der hinterrücks von einem feigen Jäger niedergestreckt wurde, wie es das Lied suggeriert? In seinem eindringlichen Roman begibt sich Manfred Böckl auf die Spurensuche. Ein verpfuschtes Leben tut sich auf: die Geschichte eines ungeliebten Kindes mit einem von der harten Hand des Stiefvaters verbogenen Charakter, eines immer wieder gnadenlos von der Dorfgemeinschaft geduckten Jugendlichen und schließlich eines zynischen Mannes, dem ein unbändiger Hass auf die selbstgefälligen Honoratioren sowie die gehorsamen Diener der Obrigkeit das Leben vergällt. Den Autor interessieren vor allem die Ursachen dieser Entwicklung, die er in den sozialen und gesellschaftlichen Zuständen der damaligen Zeit ausmacht. Vor diesem Hintergrund kann e rsich auch fast mitleidig des mörderischen Jägers annehmen: In Johann Pföderl erkennt er den wahren Bruder Jennerweins in der Chancenlosigkeit und Verlogenheit ihrer Gesellschaft.