LEBENSERINNERUNGEN

von

Wohl zu Recht stelle ich fest, dass die Kindheit und Jugendzeit meine
unbeschwertesten Lebensjahre gewesen sind. Abgesehen allerdings davon,
dass die im vorigen Jahrhundert Geborenen und in dieser dramatischen
Zeit Aufgewachsenen die schwere Last auf vielfältigste Weise zu
spüren bekamen. Andererseits muss man aber auch konstatieren, dass
gerade diese enormen Anforderungen, die wir tragen und bestehen
mussten, uns große Ereignisse und Erfahrungen bescherten, die wohl
keine andere Generation jemals so durchleben wird.
Um so wertvoller empfanden mein Bruder und ich das persönliche
Umfeld, in dem wir aufwachsen durften. Unsere Eltern vermittelten
uns die Kraft, die uns in die Lage versetzte, das Schöne zu genießen,
aber auch die schweren Zeiten zu meistern.
Besonders ich muss meinem Schicksal dafür dankbar sein, dass
es mich mit einer robusten Gesundheit ausstattete und mir darüber
hinaus viel Glück schenkte. Auch wenn mancher Leser vielleicht darüber
lächelt, wenn ich hier erwähne, dass ich oftmals spürte, einen
Schutzengel an meiner Seite zu haben, besonders auch während meines
Kriegseinsatzes, der mich wohl vor dem Schlimmsten bewahrte.
Ich bin deshalb dem Schöpfer dankbar für die Fürsorge, die ich empfangen
durfte.
In der „Weimarer Republik“ geboren und als Kind aufgewachsen,
kam Adolf Hitler kurz vor meinem 11. Geburtstag an die Macht, um
unser Volk in gerade mal zwölf Jahren in den Abgrund zu führen. Doch
für uns junge Menschen, aber auch zum großen Teil für die ältere Generation,
stellte sich die Entwicklung recht positiv dar. Demzufolge
wuchs auch die Zustimmung für dieses Regime, dem wir blind vertrauten.
So empfanden wir es auch nicht als Last, sondern eher als Aufbruch
in eine schöne und lichte Zukunft. Als jedoch der Kriegswahn
sein Ende fand, waren wir überglücklich, glaubten allerdings, dass nun
eine demokratische Entwicklung einsetzen würde. Doch bald erwach194
ten wir aus diesem Traum und die Realität zeigte uns unerbittlich, dass
sich nur die Farbe geändert hatte. Ich stand dieser neuen Zeit zunächst
positiv gegenüber, distanzierte mich aber bald konsequent davon, als
ich merkte, wohin die Reise geht. Dieser Einstellung blieb ich treu, bis
auch die zweite Diktatur ihr verdientes Ende fand. Nie habe ich es bereut,
auch wenn ich mir dadurch persönliche Nachteile einhandelte.
Einer der schönsten Tage meines Lebens bleibt der „Mauerfall“, womit
mein Traum spät, aber nicht zu spät in Erfüllung ging.
Oktober 2014