Leibhaftige Zeit

Die Verteidigung des Wirklichen bei Henri Bergson

von

Trotz ihrer erheblichen thematischen Divergenz deutet Spateneder die vier großen Werke Henri Bergsons, „Zeit und Freiheit. Eine Abhandlung über die unmittelbaren Bewusstseinstatsachen“, „Materie und Gedächtnis“, „Schöpferische Entwicklung“ und „Die beiden Quellen der Moral und der Religion“, als vier inhaltliche Variationen eines formal identischen Gedankens – des Versuchs, eine einzige menschliche Erfahrung ins Wort zu bringen: die Erfahrung einer irreduziblen ontologischen Differenz zwischen dem Erleben von Wirklichkeit einerseits und der Vorstellung von Wirklichkeit andererseits. Die denkerische Bewegung Bergsons vertieft sich kontinuierlich über alle Werkgrenzen hinweg, um schließlich in eine Apotheose der Zeit zu münden: Zeit ist Gegenwart Gottes. Sie ist weder ein homogenes Medium physikalischer Prozesse noch eine Art Schleier vor der eigentlichen, das heißt zeitlosen Wirklichkeit, geschweige denn eine bloße Form der menschlichen Anschauung, sondern sie ist das ens realissimum überhaupt.