Liber Monodie oder Einstimmiger Gesang

Eine Autofiktion

von

Schreibzeit

Nach einigen Versuchen gelingt es nicht mehr, die Wirklichkeit zu verleugnen, sage ich, der Schreiber, weil ich weiß, daß der Leser den Baum unter dem ich sitze, meine Linde, nicht kennt und den nehmen muß, den ich ihm biete. Ich schreibe also Wahrscheinliches. Hier in der ruhigen Umgebung von Lucynów Duzy, überhaupt erträgt man Langeweile nur in ruhiger Umgebung. Und dann schreibt man halt, damit keine Langeweile aufkömmt, Tagebücher kommen vom Nichtschlafen.
Und dann gibt es Gesichter, die entstehen beim Schreiben. Sie tauchen auf. Es gibt Gesichter, die sind in einem Moment nicht das, was sie in anderen Augenblicken sind. Photogene Gesichter, so nennt man das, sind solche, die in einem Moment mehr sind als in anderen.
Ich wollte etwas beweisen, schreibend, ich habe aber während des Schreibens vergessen, was es war, wohl nur, daß ich bin. Es ist nicht schön zu spüren, wie es mir während des Erzählens unter der Hand wegschmilzt. Doch ich habe meine Geschichte, sie begründet mein Verhalten Geschichten zu be- und ergründen.
Die Bedeutung der Wörter und ihre Herkunft ist eine faszinierende Sache, aber es kommt nicht darauf an. Man muß nicht wissen, was sie bedeuten, sondern, wo man sie hinstellt. So jedenfalls sieht es der Kollege Bichsel.
Der Kopf leitet die Hand und vor der Tat steht der Gedanke.
Eine Geschichte zum Verweilen, also zum Erzählen: Ich mag Geschichten. Wenn ich tagsüber schlafen gehe, dann auch deshalb, weil ich tagsüber träume. Balzacs Vater legte sich ohne jeden Grund ins Bett und stand erst nach zwanzig Jahren wieder auf. So erzählte es Benn. Das ist eine Geschichte, dieser eine Satz.
Ich schreibe. Ich bin der, der dies schreibt. Mitten im Zimmer ein Tisch, das Schreibzeug, davor ein Stuhl. Ich. Ich schreibe. Der Spiegel. Im Spiegel das Zimmer. Das Fenster. Regen. Sonne. Heiß. Ich will noch einmal und ganz von vorn anfangen. Zu einem Ende kommen… ich schenke ein Glas Wein ein.
Man weiß auch, was zu erwarten ist. Ein Januar ist zu erwarten und ein Februar, ein März, ein April, ein mehr oder weniger warmer Sommer, bestimmt ein Sommer… und am Ende des Jahres gibt es wieder einen Dezember.
Martinisömmerlein nennt man die letzten sonnigen Tage im November. Wenn ein Tag überhaupt nichts hat als seine Stunden und seine Geräusche, dann hat er als letztes, als allerletztes noch eine Witterung.