Lilienfeldiana

von

Georges Desportes tritt die neu geschaffene Position des Arztes in einer Fabrik an. Er wird routinemäßig die Arbeiter untersuchen, nach Unfällen Verletzte behandeln und nebenbei viel von den schlechten Arbeitsbedingungen dort erfahren. Als im Werk ein massiver Streik droht, ist er gezwungen, Stellung zu beziehen. Eigentlich aber ist er ein auffallender Einzelgänger, auch im Privaten: Seine Ehe mit Maud läuft nicht gut, zu unterschiedlich sind die jeweiligen Erwartungen und Bedürfnisse, und obendrein sticheln seine Schwiegereltern gegen ihn wegen seiner materiellen Unbedarftheit. Ausgleich findet er in der Literatur; er sucht den Kontakt zu seinem Idol, einem großen Schriftsteller. Doch dann scheint sich in seinem Ethos als Arzt und in seinem Engagement in der Fabrik ein humaner Reflex bemerkbar zu machen.
Wie in Albert Camus’ „Die Pest“ begehrt in Chauvirés autobiographisch geprägtem Roman von 1958 ein Arzt unentwegt gegen ein scheinbar sinnloses Schicksal auf. Und bei Chauviré wie bei Camus entwickelt sich der Schnittpunkt von Einsamkeit und Solidarität zu einem zentralen Moment, allen Selbstbefragungen und -zweifeln zum Trotz.