Literarische Nachbarschaften

Mosse-Lectures an der Humboldt-Universität zu Berlin 2014/2015

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Schreiber sind zuallererst Leser, besonders wenn sie anfangen zu schreiben, wie J.M. Coetzee sagt. Nicht nur seien Einfluss und Vorbild von Bedeutung, vielmehr ein undefinierbares »Bauchgefühl«, mit dem sich sprachlich, sachlich und kulturell Nachbarschaften des Schreibens herausstellen, als Neigung, Wunsch und nicht selten als Obsession. Die für den gegenwärtigen Text einprägsame literarische Erfahrung stellt sich mitunter dar, so die Vermutung von Jeffrey Eugenides, als das Ghostwriting einer verstörenden literarischen Vergangenheit, z.B. der eines Franz Kafka, Samuel Beckett oder Thomas Bernhard. Eine Sphäre der Nachbarschaft und der intertextuellen Verständigung bestärkt aber auch das gegenwärtige Schreiben, seinen Realitätssinn, seine poetische Kraft und seine gedankliche Ordnung. Die literarischen sind kreativ im Umschreiben und Überschreiben: in einer Art Architextur der produktiven Begegnung und Verhandlung mit den Vorgängern und Vorbildern.
Mit Originalbeiträgen von Brigitte Kronauer, Reinhard Jirgl, Lutz Seiler, Colm Toibin und Vladimir Sorokin, kommentiert von Lothar Müller und Klaus Scherpe, Bildpräsentation der »materialen Nachbarschaften« Max Wechslers von Elisabeth Wagner.