Lost in Time

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Nicht schon wieder eine Industrieruine, ist man versucht zu sagen. Aber hier liegt der Fall anders, denn in den Bildern, die Marc Theis auf dem verlassenen Continental-Gelände in Hannover gemacht hat, verschränken sich verschiedene Zeitebenen zu einem sonderbaren Dialog der Generationen.

Die Continental-Reifenfabrik in Hannover hatte mit über 30 Hallen die Ausmaße einer Stadt für sich und als weltweit viertgrößter Reifenhersteller eine enorme Bedeutung für die umliegende Region und die dort lebenden Menschen. Längst aber ist die Produktion hier zum Stillstand gekommen und in Niedriglohnländer verlegt. Marc Theis ging in der stillgelegten Fabrik auf Entdeckungstour und stieß dabei auf anarchistische Spuren.

Graffiti-Künstler, eigentlich interessiert an größtmöglicher Öffentlichkeit, haben die abgeriegelte Anlage zu ihrer Spielwiese gemacht. Zwischen Trümmern, eingestürzten Wänden, Rohren, Kesseln und zurückgelassenen Maschinen haben sie ihre Tags angebracht und eine neue Belegschaft einziehen lassen. Die gemalten Figuren interagieren mit der Architektur und den hinterlassenen Objekten und kommentieren sie – witzig, bissig, melancholisch und obszön. Die anonymen Graffiti-Künstler, Angehörige der postindustriellen Generation, nutzen Leerstand und Verfall, um ihre Botschaften abzusenden – hinter verschlossenen Türen!

Die lichtbildnerisch und atmosphärisch starken Fotografien von Marc Theis dokumentieren diesen grotesk-poetischen, flüchtigen Zustand, der auch selbst schon wieder in der Zeit verschwunden ist. Alle Hallen wurden inzwischen abgerissen.