Lusophone Lyrik

von , ,

CONCEIÇÃO LIMA wurde am 8. Dezember 1961 unter dem Namen Maria de Conceição Costa de Deus Lima am östlichen Ufer der Insel São Tomé in der Ortschaft Santana geboren, wo sie aufwuchs und die Schule bis zur Hochschulreife besuchte. Von ihrem Vater lernte sie, daß dem Wort eine starke Kraft innewohnt. Dank ihrer lebendigen Phantasie war er davon überzeugt, daß aus seiner Tochter eines Tages eine Dichterin werden wird. Ihr Heimatland São Tomé und Príncipe liegt etwa zweihundert Kilometer vor der westafrikanischen Küste im Golf von Guinea und zählt zu den portugiesischsprachigen Staaten des afrikanischen Kontinents, dem PALOP (Países africanos de língua oficial portuguesa, auf deutsch: afrikanische Staaten mit Amtssprache Portugiesisch), wozu Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Äquatorialguinea sowie Kap Verde gehören. Zum Journalistik-Studium ging Conceição Lima nach Portugal, kehrte anschließend in die Hauptstadt São Tomé zurück und arbeitet dort in den Medienbereichen Radio, Fernsehen und Presse. In den 90er Jahren gründete und leitete sie die unabhängige Wochenzeitung O País Hoje. Danach ging sie nach London, wo sie Afro-Portugiesische und Brasilianische Studien am King‘s College und Afrikanische Politik an der School of Oriental and African Studies (SOAS) studierte. Viele Jahre arbeitete die Journalistin bei der BBC als Produzentin portugiesischsprachiger Sendungen. Sie veröffentlichte ihre Gedichte in Zeitschriften, Zeitungen und Anthologien mehrerer Länder und wurde zu Lyriklesungen und Poesiefestivals in Afrika, Europa und Lateinamerika eingeladen.

In Caracas und Istanbul trafen wir mit der Poetin Conceição Lima zusammen, wo sie uns von ihrer fernen Insel und Familie erzählte, die wir auch durch ihre Gedichte tiefer kennenlernten. Als Teenager schrieb sie ihre ersten Gedichte und nahm 1979 an der 6. Afro-Asiatischen Schriftstellerkonferenz in Angola teil, wo sie als eine der jüngsten Autorinnen vorlas. So begann ihr Weg als Dichterin, die der postkolonialen Generation zugerechnet wird, also nach der Unabhängigkeit ihres Landes São Tomé & Príncipe im Jahre 1975. Ihr erster Lyrikband O Útero da Casa (Die Gebärmuter des Hauses) erschien 2004 im Verlag Editorial Caminho, Lissabon, der sich in Portugal für lusoafrikanische Literatur und Poesie engagiert, und versammelte bis dahin überwiegend unveröffentlichte Gedichte. Ihre vorherigen Gedichte, die sie verstreut in Portugal, Brasilien, Österreich, Spanien, Angola und Sao Tomé publiziert hatte, blieben ohne Buch.

Mehrere Gedichte ihres zweiten Werkes A Dolorosa Raíz do Micondó (Die schmerzvolle Wurzel des Affenbrotbaums), das 2006 ebenda herauskam, publizierte sie zuvor in Kolumbien, Brasilien und Venezuela. Übersetzungen ins Spanische, Englische, Türkische und Deutsche folgten. Ihre beiden poetischen Erstwerke wurde von der portugiesischen Kritik lobend willkommen geheißen und erscheinen jetzt hier gleichzeitig. Ihre Stimme des Bewußtseins beklagt das Schicksal ihres Insellandes als ehemalige Drehscheibe der Sklaverei und als Hort des Kolonialismus, die enttäuschten Ideale der Freiheit und Unabhängigkeit und auch die wechselhaften Stimmungen der demokratischen Gegenwart von São Tomé e Príncipe.

Tobias Burghardt