Marie’s Versprechen

von

Hier ist eine wunderschöne Wiese und der Bach mittendrin macht ganz viele Kurven. Ich setze mich auf unsere Decke ins Gras und bin ganz still, damit ich die Bienen summen höre. Wenn ich mich hinlege, sehe ich ganz dicht neben mir Ameisen an den Stängeln der Schlüselblumen hochklettern und es riecht warm und ein bisschen süss. Ich kann den Wolken zusehen und würde jetzt gerne mit ihnen mitfliegen in ein anderes Land, vielleicht nach Amerika und rund um die Erde, bis ich wieder hier ankomme.„Willst mal mit mir in Kino?“, fragt die Oma.„Au ja! Was schauen wir denn an?“„Der veruntreute Himmel“, sagt die Oma, „das ist ein wunderschöner Film. Oder die Trapp-Familie. Wo ich doch die Ruth Leuwerik so gerne mag.“„Jetzt gleich?“„Na, doch nicht unter der Woche. Am Samstag halt.“ Und dann lächelt sie mich an und drückt mich ganz fest an sich. „Da freu ich mich aber, dass du da mit mir hingehst.“Ich würde mit der Oma überall hingehen, dass weiss sie doch.Als wir am Nachmittag beim Bügeln drüber reden, sagt die Oma, das möchte sie halt noch erleben, dass ich mein Abiturzeugnis in der Hand halte.„Warum sollst du das denn nicht erleben?“„Oh mein Kindle, ich wird halt jedes Jahr älter.“Ich kann nicht finden, dass die Oma älter geworden ist, sie war immer schon so wie jetzt, so lange ich mich erinnern kann und das sage ich ihr auch und auch, dass ich sie noch mindestens so lange brauche, bis ich mal gross und verheiratet bin.Aus: Marie’s Versprechen