MetallDesign international. Hephaistos-Jahrbuch / 2012

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Beim Zusammentragen der Biografien und Werkfotos der ausgewählten Metallgestalter für die HEPHAISTOS-Jahrbücher „MetallDesign international“ berührt eines immer wieder aufs Neue: Lebenslauf und Werk, persönliche Erfahrung und Arbeitsweise sind voneinander nicht zu trennen. Aus der persönlichen Geschichte eines Menschen erwächst, was sein Handwerk und seine Kunst für den Betrachter so einzigartig, so unverwechselbar, so mitreißend macht. Kurzbiografien und Fotos dokumentieren diese Wechselwirkung auch in der vierzehnten Ausgabe „MetallDesign international 2012“ wieder eindrucksvoll

Wenn wir von der Verbindung von Lebenslauf und Lebenswerk sprechen, ist Kunstschmiedemeister Johann Reif ein Paradebeispiel: Bodenständig betreibt er sein Handwerk im oberbayerischen Moosburg, seiner Heimatstadt ist er kulturell und musisch zugetan. Doch die Gestaltung seiner Arbeiten in Metall bricht diesen „Mikrokosmos“ bemerkenswert auf. Sie erzählt von Weltläufigkeit, erworben auf der Wanderschaft und bei beruflichen Auslandsaufenthalten, und darüber hinaus spiegeln nicht nur seine Skulpturen, sondern auch Zäune, Tore oder kommunale Möbel den feinsinnig-subtilen Humor des Bayern wider. Das Jahrbuchkapitel über Johann Reif hebt den Vorhang für einen vielschichtigen Meister.

Nicht nur in der Schmiedeszene Italiens ist der Sizilianer Giovanni Rotondo vor allem bekannt geworden durch seine filigranen Adaptionen von Naturformen in Metall, allen voran mediterranen Motiven wie Muscheln oder Seeigeln. Doch diese Arbeiten, eher dem skulpturalen Bereich zuzuordnen, transportabel und damit auf Schmiedetreffen und in Ausstellungen quer durch Europa präsentierbar, sind nur eine Facette. Ganz andere, aber nicht minder faszinierende Seiten des Schmiedeweltmeisters von Stia im Jahr 2005 schlägt nun erstmals das HEPHAISTOS-Jahrbuch auf: Rotondos schmiedisches Wirken im angewandten Bereich, am Bau und für dekoratives Interior-Design.

Martti Risku, der in Schweden lebende Finne, der niemals ohne harte Beats in voller Lautstärke in seiner Werkstatt arbeitet, kommt aus einer kunstsinnigen Familie, begann seine berufliche Laufbahn aber als Mechaniker. Bis zu seinem Schmiedemeisterbrief, den er erst im Oktober 2011 kurz vor Drucklegung des Jahrbuches überreicht bekam, legte er einen langen und nicht immer leichten Weg zurück. Der schlägt sich indes heute in der Vielseitigkeit seines Schaffens nieder: Messer in traditioneller Machart oder individuell ansprechende Schmuckkreationen stehen neben handgeschmiedeten Ankern für Kirchenrestaurierungen, Kerzenleuchtern aus Schiffsrohren, Schalen und Skulpturen – es gibt wenig, was der Selfmade-Man nicht schon auf dem Amboss gehabt hätte.

Treppen- und Balkongeländer, Zäune und Tore bilden den handwerklichen Schwerpunkt in Kurt Oberwangers Werkstatt in Oberösterreich, mit dem er sich, neben Restaurierungen, landesweite Reputation erarbeitet hat. Aufträge bekommt er inzwischen aus der gesamten Alpenrepublik und selbst aus Bayern. Dass vom Entwurf bis zum fertigen Objekt alles aus einem Guss ist, ist dem „Schmied vom Attersee“ besonders wichtig. Wenn ein Kunde da nicht mitspielt, zieht Oberwanger mitunter auch einmal die Reißleine. Dabei hatte er, der seinen Beruf heute „als sein Hobby“ bezeichnet, ursprünglich gar nicht vorgehabt, die traditionsreiche Schmiede der Vorfahren zu übernehmen. Ein Glück für das Handwerk, dass er sich eines Besseren besann – wie „MetallDesign international 2012“ unterstreicht.

Der britische Kunstschmied und Metallgestalter James Horrobin erhielt 2003 den einzigartigen Auftrag, in der Londoner St. Paul’s Cathedral, dem mithin berühmtesten Gotteshaus im Vereinigten Königreich, eine Gedenkstätte für den großen Staatsmann Winston Churchill zu gestalten – ein Auftrag, dessen Umsetzung größte Aufmerksamkeit im ganzen Land fand. Doch unser Jahrbuch-Kapitel erschöpft sich nicht nur darin. Denn Horrobin, der sich gerne von der Schönheit der Natur seiner Heimat Somerset inspirieren lässt, verbindet traditionelle Schmiedetechniken mit modernsten Herstellungsmethoden und Verfahrenstechnologien wie CAD, um jene Arbeiten zu gestalten, die ihm unter den Kollegen höchsten Respekt eingebracht haben.

Eine Symbiose von Kunst und Handwerk im gestalteten Metall hat sich Heiner Zimmermann auf die Fahnen geschrieben. Er ist Künstler, Handwerker, Unternehmer und Professor an der „Steneby School of Art and Craft“, einer Fakultät der Universität Göteborg im schwedischen Dals Langed. Sein auf vierjähriger Wanderschaft in den Werkstätten internationaler Kollegen und vom legendären Vater erworbenes Wissen und seine in vielerlei Material-Experimenten gewonnenen Erfahrungen teilt er gerne mit jungen Kollegen und seinen Studenten. Das Ziel des mehrfach ausgezeichneten Gestalters ist, seine Arbeiten mit dem Schwerpunkt Warmverformung in die zeitgenössischen Kontexte mit Architektur, Kunst und Kultur zu bringen. Das Jahrbuch zeigt, was Heiner Zimmermann damit meint.

Die Kunden des US-Amerikaners Jeff Fetty sind ebenso namhaft wie seine Metallgestaltung beeindruckt: Möbel, Geländer, Skulpturen und manch anderes mehr fertigt er in seiner Werkstatt in Spencer im Bundesstaat West Virginia, die mitten in einer Künstlerkolonie liegt. Angesichts dieser kreativen Umgebung, die auch noch umrahmt wird von üppiger Natur, verblüfft Fettys Gestaltungskraft in Metall kaum. Für viele Jahrbuch-Kenner in Europa darf Jeff Fetty als eine interessante Neuentdeckung angekündigt werden.

Mit Igor Andrukhin präsentiert „MetallDesign international 2012“ einen weiteren russischen Meister, der die Handschrift der legendären Fakultät für Metallgestaltung an der „Staatlichen Akademie für Kunst und Industrielles Design“ in St. Petersburg ebenso trägt, wie er sie dort als Dozent mitgestaltet. Sein Oeuvre spannt sich von einer geradezu barocken Opulenz der klassischen Schmiedetechniken bis hin zur zeitgenössischen Massivität der Kunst in Metall. Dabei ist Andrukhins Schaffen durchzogen von einem zentralen Motiv: den Formen der Natur, was sich in Geländern oder sakralen Arbeiten ebenso widerspiegelt in stählernen Insekten, Schöpfungen der jüngeren Vergangenheit, mit denen er vor allem in Russland und im asiatischen Raum zahlreiche Ausstellungen bestritt. Insidern ist der Meister bekannt, die breite Metallgestalter-Öffentlichkeit darf sich auf ein „Aha-Erlebnis“ freuen