Morgen Eine Ewigkeit

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Schicksal ist, wofür du nichts kannst. Wir Menschen haben gerne alles unter Kontrolle. Die meisten jedenfalls. Tausende von Ratgeberbüchern wurden geschrieben, um Menschen zu motivieren, einen Lebensplan aufzustellen, nichts dem Zufall zu überlassen, sich Ziele zu setzen, sie voller Energie zu verfolgen, „Erfolge“ zu erringen, mit Selbstmanagement, Zeitmanagement, Positivem Denken und ausgeklügelten Prioritätenlisten.
Doch selbst wer immer alles richtig gemacht hat, Schritt für Schritt planmäßig vorangekommen ist, steht eines Tages vor dem großen Knall.
Alles worauf man gebaut hat, löst sich in Luft auf. Egal, Job und Einkommen verloren gehen, ob sich der Partner trennt, ob ein schwerer Unfall dazu führt, dass der Betroffen auf der Intensivstation wieder zu sich kommst, ob das Projekt, für das so lange und intensiv gearbeitet wurde, verworfen wird, es wirft den Menschen aus der Bahn.
Schicksal ist, wofür du nichts kannst. Aber dein Leben ist das, was du daraus machst.
Verzweiftelt allem nachzutrauern, was nicht mehr möglich ist, führt zu Verbitterung, Einsamkeit und Lebensmüdigkeit. Mutig auszuprobieren, was doch noch möglich sein könnte, die Herausforderung anzunehmen, einen neuen Lebensentwurf zu wagen, das ist – auch nach dem schwersten Schlag – der Weg, ein neues, selbstbestimmtes Leben zu gestalten.
All dies hat Jule Blofeld in ihrem Roman, der durchaus autobiografische Züge trägt, verarbeitet. „Morgen Eine Ewigkeit“ ist jedoch kein Psycho-Ratgeber, kein rosarotes Trostpflaster für grenzenloses Selbstmitleid, sondern ein Roman, der trotz eigener Betroffenheit kein „Schicksalsroman“ ist, sondern etwas, das vielleicht als „Lebensroman“ bezeichnen will.
Die Autorin, die unter dem Pseudonym Jule Blofeld schreibt, ist krank. Ihre Krankheit verläuft in Schüben, und mit jedem Schub geht wieder ein Stück ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten verloren. Seit vielen Jahren lebt sie mit zunehmenden Behinderungen. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen und darauf, dass stets Menschen in ihrer Nähe sind, die ihr Hilfe da geben, wo sie selbst nicht mehr dazu in der Lage ist. Sie schreibt, indem sie diktiert. Sie überarbeitet, indem sie sich vorlesen lässt, was sie diktierte – und sie arbeitet und feilt akribisch an ihrem Text, bis alles stimmt, jeder Ausdruck, jeder Satz, jedes Kapitel.
Der Leser erspürt beim Eintauchen in ihr Buch zunächst einmal jene heitere Ruhe, Gelassenheit und Bestimmtheit, die nur Menschen, die in sich selbst ruhen, um sich verbreiten können. Alles ist gut. Alles ist richtig. Die Hauptfigur lebt ihr Leben mit Behinderung so selbstverständlich, wie eine alleinstehende Mutter mit ihrem Kind lebt, wie ein Artist mit dem Hochseil und der Balancierstange lebt. Achtsam und zuversichtlich.
Jule Blofeld studierte Germanistik. Thomas Henke, Professor für Neue Medien an der FH-Bielefeld, schreibt über ihr Buch:
Ein unfassbar mutiges und wichtiges Buch.
Eine großartige Erzählerin, der es gelingt, die Bilder für ein Leben mit und ohne Behinderung aus den tiefsten Dimensionen der Wirklichkeit zu schöpfen.
Ein Buch über die Liebe, das Sterben, den Schmerz, die Sehnsucht und den Abschied. Bei Jule Blofeld werden die Wörter zu Zeugen eines unsagbaren Lebensmutes.