Neue Kunst und neue Menschen

Literarische und essayistische Texte aus seinen Grazer Jahren (1918-1927)

von

Die Edition der Texte aus Ernst Fischers Grazer Jahren (1920-1927) bietet eine repräsentative Auswahl aus dem frühen Schaffen des österreichischen Politikers, Schriftstellers, Kultur- und Kunsttheoretikers. Sie stellt ihn als vielseitigen Autor vor, der sich in seinen Anfängen sowohl als Erzähler, Dramatiker und Lyriker wie auch als Kunstkritiker, Kulturtheoretiker und politischer Publizist zu profilieren versuchte. Die chronologisch angeordneten Textbeispiele dokumentieren den Prozess von einem antibürgerlichen, anarchischen Aufbegehren gegen die geistige Enge der Provinz, das noch ganz im Zeichen einer nietzscheanisch inspirierten Revolte steht, bis hin zur Entwicklung einer bewussten politischen Parteinahme für die Arbeiterklasse auf der Basis eines emphatisch interpretierten Marxismus. Die literarischen Texte bilden zugleich ein interessantes Beispiel für die spezifische Spielart eines österreichischen Expressionismus beziehungsweise der Kombination expressionistischer Schreibverfahren mit anderen (nationalliterarischen) Traditionslinien.
Ein besonderer Stellenwert kommt dabei der Edition von umfangreichen Passagen aus Fischers ungedrucktem Drama Das Schwert des Attila und seinem von ihm selbst für verschollen erklärten Roman So kann man nicht leben zu. Gerade letzterer besitzt einen erheblichen zeitgeschichtlichen Wert, da er in hohem Maße als Schlüsselroman über das Graz der ersten Hälfte der 1920er Jahre gelesen werden kann. Er liefert zum einen die Diagnose der politisch-moralischen Krise der Nachkriegszeit und unterzieht zum anderen die eigene antibürgerliche Attitüde und das Milieu eines realitätsfernen Künstlertums einer scharfen Selbstkritik.
Die Notwendigkeit einer neuen Kunst und die Utopie eines neuen Menschen erwachsen aus diesen Reflexionen, wobei Gegensatzpaare wie Individualismus und Kollektivismus, Traditionalismus und Dynamik, Leibfeindlichkeit und Erotik als leitende Paradigmen dienen.