Platonische Gewalt

Gadamers politische Hermeneutik der NS-Zeit

von ,

Von der FAZ als ‚erfolgreichster Philosoph der Bundesrepublik‘ gefeiert, 1946 als politisch Unbescholtener von den Sowjets zum Rektor der Universität Leipzig ernannt, scheint Hans-Georg Gadamer über jeden Verdacht nazistischer Kompromittierung erhaben. Dass es einen ‚Fall Heidegger‘, aber keinen ‚Fall Gadamer‘ gab, liegt auch an dem, was man den ‚Fall Bundesrepublik‘ nennen könnte. Erst nach Lektüre der minutiösen Untersuchung von Teresa Orozco wird man Gadamers Rolle im Nationalsozialismus und seinen späteren Einfluss ermessen können. Das Wirken des ‚Meisters des Dialogs‘ und der ‚hermeneutischen Vermittlung‘, wie Gadamer in Nachrufen ehrend genannt wurde, erweist sich in der NS-Zeit als ein Mitwirken.
Politik zwischen die Zeilen verweisend, vermochte Gadamer vor und nach 1945 zu wirken. Seine Parteilichkeit in den Richtungskämpfen des NS-Staats steckte in seiner Klassikerlektüre …