PORTRAITS

von

Bedrohlich spiegelt sich das Blitzlicht in den aufgerissenen Augen des auf uns zu stürmenden Hundes wider. Das Maul steht halb offen, die unteren Eckzähne nähern sich dem Betrachter bedenklich, der Körper des Tieres in erregter, vorwärts drängender Pose. Erst auf den zweiten Blick können wir aufatmen. Ein kleiner blauer Ball zur Linken des Hundes löst die Situation – ein Spiel. kein Angriff.
Geschickt arbeitet Christian Rätsch in seinen Porträts mit Details, die sich und den Wert der Aufnahme erst beim genaueren Hinsehen zu erkennen geben. Seine Porträtfotografien sind alles andere als klassisch, Nur selten scheint die abgebildete Person im Zentrum der Aussage zu stehen. Vielmehr werden in den gezeigten Werken Ursprünge, Wendepunkte und Brüche im Leben des Künstlers thematisiert.
Der spielende Hund ist eben nicht nur dieses, sondern steht für eine Zeit großer privater Umwälzungen. Wie das Tier, das seinem überschäumenden Bewegungsdrang im nächsten Moment wohl mit einem kräftigen Bellen Tribut zollen muss, so merkte auch Rätsch im Jahr der Aufnahme die zunehmende Engstirnigkeit und Intoleranz seiner Heimat hinsichtlich seines Andersseins in den Augen seiner kleinstädtischen Mitmenschen.
Die Lampe ist eben nicht nur eine urbane Landschaftsaufnahme, sondern Symbol für die Tristesse und Kälte einer norddeutschen Provinzstadt, der zu entfliehen oberstes Ziel gewesen war. Eine Erinnerung, ein festgehaltener Moment, ein Porträt einer Zeit, in der nur der unbedingte Wille zur Kunst das Weitermachen ermöglichte.

Wenn Rätsch Menschen ablichtet, sehen wir Träumer, Romantiker, Verlorene und Liebende in jeder Hinsicht. Wir sehen Freunde, Geliebte und Vergangene. Die erste große Liebe ist ebenso anwesend wie der erste große Schmerz.
Bei aller Nähe zu den Porträtierten wirken sie dennoch merkwürdig entrückt. Beinahe übersieht man Martin auf der Aufnahme von 2009. Starr lenkt die geometrische Konstruktion aus Sitzlehne, Gepäckablage und Lampenleiste den Blick in den Bildinnenraum. Erst dann bemerkt man die einsame und müde Person im rechten Vordergrund. Wie entfremdet steht das Gesicht gegen den Fluchtpunkt.
Ein eben solches Spiel mit statischen Formen finden wir bei den Aufnahmen von Andreas Tobias vor dem Hamburger Jenisch Haus. Entstanden in dem Jahr, als Tobias sein Engagement am Deutschen Schauspielhaus Hamburg aufnahm, zeigen sie einen unsicheren jungen Mann, der noch nicht ahnt, dass er in wenigen Jahren fester Bestandteil der Theaterlandschaft sein wird.