R E Z E C K

Bericht eines Verräters

von

Nur notdürftig verschlüsselt, bietet der Text die Erinnerungen eines furchtbaren Menschen, der als Arzt eigentlich zum Helfer der Menschen bestimmt war, der als Gestapo-Spitzel dagegen mehr als einen Menschen an den Galgen oder unter die Guillotine brachte. Einen solchen Arzt hat es tatsächlich gegeben. Aus gutbürgerlichem Hause stammend, verlebte Rezeck eine sorglose, aber auch eine etwas freudlose Kindheit, wie es scheint. In der Schule muss er einige Schwierigkeiten gehabt haben, was er aber nur andeutet, wie so Vieles im Ungewissen bleibt in diesen Bekenntnissen, die jedoch keine Beichte sind und wohl auch nicht sein wollen. Vater und Großvater sind Ärzte gewesen, also wird der junge Paul Rezeck ebenfalls Arzt, beginnt sein Studium mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, tritt im selben Jahr in die NSDAP ein, zu der er sich schon vorher hingezogen fühlte. Im Studium in Berlin trifft er namhafte Persönlichkeiten der Berliner Medizinischen Fakultät. Nicht einen Moment zweifelt er an der Richtigkeit der Sache und ist bereit, Aufgaben im Kampf zu übernehmen. Dabei ist Rezeck seinem Naturell nach alles andere als ein mutiger Kämpfer, wirkt eher heimlich und im Hintergrund. Da kommt ihm das Angebot, für die Gestapo zu arbeiten gerade recht. Er gibt sich charmant, antinazistisch und weltgewandt und dringt so unschwer in Kreise des Widerstandes ein, entlockt als Agent provocateur den sich bei Tee und Kaffee treffenden Menschen, die ihm vertrauen, so manche hochverräterischen Äußerungen und Pläne und gibt seine Informationen an die Prinz-Albrecht-Straße weiter. Verhaftungen wie die von Elisabeth von Thadden und des Solf-Kreises sind die Folge. Mit dem Blutrichter Freisler arbeitet R. gut zusammen und ist auch sonst in Spitzelkreisen bestens vernetzt. Dass er selbst unter erheblichem Druck gestanden habe, versucht er nur den Richtern in Waldheim weiszumachen, um als Kriegsverbrecher eine mildere Strafe zu erhalten. Denn das berüchtigte Zuchthaus von Waldheim in Sachsen ist der Ort, wo Rezeck nach Verhaftung und russischen Lagern landete. Mit dieser Lagerhaft beginnen diese „Memoiren“. Sie handeln von einer beispiellosen Skrupellosigkeit, derer sich dieser Mann nicht einmal zu schämen scheint. Den Zusammenbruch, der Haft und den Prozess übersteht er mit Angst und Glück, und es fällt ihm überhaupt nicht schwer, mit den neuen Herren in der DDR zusammenzuarbeiten. Kurz zuvor hatte er noch versucht, sich in Westberlin niederzulassen, floh aber vor den dortigen Strafverfolgungsbehörden wieder in den Osten. Seine Familienverhältnisse sind etwas dubiös, er hat eine Tochter, die er an die Staatssicherheit verrät. Er hat als Arzt ein gutes Auskommen, wenngleich ihn geheimdienstliche Verwicklungen zu mehrfachen Stellen- und Wohnortwechseln zwingen. Schließlich hat er ein eigenes Haus und fährt einen „Mercedes“, selbst für einen Arzt nicht das Normale in der DDR. Seinen Lebensabend verbringt Rezeck nach der politischen Wende – es ist der vierte Systemwechsel in seinem Leben – unbehelligt, aber nicht unerkannt in einem noblen Stadtteil in Hamburg. Alles ist verjährt. Im Gegensatz zu seinen Opfern stirbt er hochbetagt in seinem eigenen Bett.