reihe licht

Gedichte

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nora zapf | homogloben | gedichte

»SCHLEICHEN TROPFEN WIE EINE TRÄNE DAVON / STEHLEN SICH UM HUFGELENKE / DAZWISCHEN SEILE MIT ANKERN / DIESE INSEL WAR EINMAL / HOCH AUFGELÖST, JETZT VERSCHWIMMT SIE IMMER MEHR.«

Mischwesen verschiedenster Art stehen im Zentrum von Nora Zapfs Lyrik-Debüt homogloben, das im Herbst 2018 als Band 04 in der Reihe licht erscheint. Während Mischwesen aus Mensch, Tier, Gottheit oder Monstrum in der Mythologie oft negativ oder bedrohlich dargestellt wurden, erfahren sie in homogloben eine andere Betrachtungsweise. Neben den mythologischen Chimären Minotaur, Hermaphrodit oder Zentaur evoziert Nora Zapf in dem Zyklus tag auf der kippe, oder 25 mischwesen ebenso Mischwesen aus dem technologischen Zeitalter, wie Cyborgs sowie mechanische Tiere.
In homogloben folgt Nora Zapf den Gedanken, dass auch der Mensch ein Mischwesen ist, dessen Identität sich aus einem Konglomerat von verschiedenen Welten, Kulturen und Sprachen zusammensetzt und das Mischwesen Mensch somit multiple Wirklichkeiten in sich vereint. In diesen ›MenschWelten‹ fließen nicht nur die Sprachen ineinander (»ode an den zweifel, in dubio pro dubio // auf das idealizzare, eine exklamation. ein / prosit auf die immaginazione, idea, concetto und / all den firlefanz des ganzen verbum magnum historicum.«), sondern auch Gegen-sätzlichkeiten wie Tag und Nacht, unterschiedliche Musikstile und Jahrhunderte (»homogloben, tagsüber // ziehe den stöpsel der welt, verkehre mit / lauter schnipseln aus gestein, déjà-vues, / anemonen, winkel die beine an, setze / mich auf wertstoffhöfe, schüttel die kugel wie / schnee, meere laufen aus, mir entgegen«).
Die unterschiedlichen Tageszeiten, morgens, mittags und abends, strukturieren den Mischwesen-Zyklus, der über einen längeren Zeitraum entstanden ist und im Zusammenhang mit den beiden anderen Zyklen des Gedichtbands, kreta | stillleben und 23 silhouetten, steht. In diesen beschreibt Nora Zapf Stillleben auf Kreta, die bei genauerer Betrachtung keineswegs ›still‹ sind und Silhouetten, Mischwesen aus Licht und Schatten, deren Konturen sich zum Ende hin immer mehr auflösen. Auch sie zeigen gemischte Realitäten, surrealistische Szenerien und das Ineinanderfließen von Raum und Zeit (»12 // mitten im hochsommer, sagst / du, stehen schatten wie pfeile da. / schießen staub von dächern / ringsum, wirbeln donner, erdschichten auf / treiben rufe ins ohr von toten.«).