Reihe Literatur

von

Weiße Winternacht, Schwäne und zugefrorene Seen, Schneeflocken und Eisblumen, weißes Rauschen. Auch wenn die Lektüre Assoziationen von Schwerelosigkeit, Licht und Leichtigkeit zu wecken vermag – von einer Idylle ist hier nicht die Rede. Denn hinter dieser sphärischen Ebene ahnt man den Abgrund, einen weiteren Bedeutungsraum, in dem große Leere und tiefe Einsamkeit herrschen. Bevölkert nur von einem Ich, das auf der Suche nach einem Gegenüber ist. Es kennt das Du, doch dem Wir ist es lange nicht begegnet. Es sind Geschichten vom Verlassenwerden und vom Verlassensein. Einige von ihnen berichten von der Kindheit, doch schon damals hat Mutters Brust nicht gewärmt, ihre Milch nicht genährt.

Beatrix Haustein hat lyrische Texte von großer Intensität geschrieben. Der Atem ihrer Sprache ist kühl, die Form ihrer Gedichte klar und meist reimlos. Kunstvoll verwebt sie Eichendorff und Heine, ihre wichtigste Frage stellt sie jedoch mit Hölderlins Hälfte des Lebens: ‚Weh mir, wo nehm‘ ich, wenn / Es Winter ist, die Blumen (.).‘

Trotz aller Melancholie und Ernsthaftigkeit hat Haustein kraftvolle Lyrik geschaffen, angetrieben von ungestilltem Hunger und großem Durst nach Leben. In Milch sind ihre letzten Gedichte und Prosastücke versammelt und auf CD hörbar gemacht. Die Schriftstellerin Claudia Klischat spricht die Texte von Beatrix Haustein gemeinsam mit dem Theaterregisseur Christoph Gosepath. Unterstützt wird diese Lesung durch den Komponisten Héctor Moro, eine Originalaufnahme von Gagarins Weltraumflug und die Gesangsstimme von Julie Randall Osborn: Ein melancholisches sowie selbst-ironisches Fest zwischen Identitätsverlust und Ich-Behauptung.

‚(.)
Das Kind schreit.

In den Arm nimmt es die Mutter. ›Nun wein doch nicht, mein Baby, ich werde nicht zulassen, dass dir jemals jemand etwas Böses tut.‹ Schnee stürmt ihnen um die Ohren. Brust gibt die Mutter dem Kind. Weißes Rauschen.

Das Kind schaut.

Das Kind schaut die Milchstraße. (.)‘
(Aus: ‚es kann nicht anders als Winter sein‘, Sprechstück für zwei Stimmen von Beatrix Haustein)

Mit freundlicher Unterstützung der Klett-Stiftung.