Reihe Lyrik

Gedichte

von ,

Auf einer Zugfahrt im Herbst 2012, wenige Monate vor dem Erscheinen meines ersten Gedichtbands, stand ich vor einem Problem. Ich wollte in einem Text „Schatten“ sagen, meinte aber eine bestimmte Art von Schatten, eine, die vielleicht nur die Wahrnehmung kennt. Ich begann, verschiedene Formen von Schatten zu unterscheiden und beschreiben, Schichten
von Dunkelheit, Schattenheit. Ich begann mich zu fragen, ob es so etwas wie Wahrnehmungswahrheit gibt. Nicht vage zu umkreisen, sondern festzuhalten. Etwas, das genau so sein kann, aber auch anders sein könnte.
scrollen in tiefsee, mein zweiter Gedichtband, ist Fortführung, Zwischenstand und Dokumentation der Arbeit an den Fragen der Wahrnehmung, die mein Schreiben seither umtreibt. Sie werden aufgeworfen und eingefangen, kommen herein, stellen sich und werden gestellt. Wo die Straße aufreißen, um das beendete Skype-Gespräch im Kabel zu finden und zu löschen, wo man log? Wann zieht Licht den Dingen ihre Farben an, wann seine? Wie holt man einen Schock aus einem Körper und wo bringt man ihn hin? Und ist der Empfang bei gutem Wetter gefühlt besser?
In einer Ausfächerung von Blicken und Begriffen, Handlungen und Behandlungen konzentriert sich die Sprache mal in einem
Parzival-Lexikon, oszilliert mal zwischen Tag- und Nachtzuständen oder folgt Händen und Augen im Netz. Dazwischen setzen sich die kataloge fort, die mit den Schatten begannen.
– Tristan Marquardt