Reihe Prosa

Aufzeichnungen

von

In Das Leben auf dem Land stellt der norwegische Dichter, Essayist und Kritiker Arve Kleiva uns den deutschen Philosophen Gustav Haarnack (1919–1992) in seinen letzten Aufzeichnungen vor – diesen hat er jedoch bravourös erfunden. Die norwegische Originalausgabe erschien 2005 unter dem Pseudonym Gustav Haarnack und präsentierte sich als Übersetzung
aus dem Deutschen. Mit der „Rückübersetzung“ kann das Werk dieses fiktiven Wissenschaftlers nun endlich auch hierzulande gewürdigt werden.

238 Die Idee vom Müll hält sich immer gleichermaßen frisch; alle anderen Ideen werden der vom Müll unterworfen, dem Prinzip der Vermüllung. Ohne die Idee vom Müll wäre die Ideenwelt nicht denkbar und der Geschichtsbegriff ausgeschlossen. Sprachlich gesehen ist Müll Situierung, Strategie – verbunden mit Verwitterung, Verrottung, Rost, Vergiftung, Härte, Halbwertszeit, mit anderen Worten eine metamorphische Kette, wo die Änderungen der Sprachen in den vorliegenden Text als eine seiner Funktionen hineingezogen werden, als sein eigener – eine parasitäre Strategie, die sich schützt, indem sie in gleichem Maße ausradiert wird und in der Regeneration der Umwelt hervortritt, ohne selbst den Gesetzen der Reproduktion unterworfen zu werden, mit anderen Worten den erotischen Formen, die sich den erotischen
Registern der Reproduktion zugunsten anderer Formen entziehen: Genuss, Krankheit, Verfall, Geschäftigkeit, Wechsel, Übersättigung, Repetition, Projektion, Substitution, Pornografie, Anonymität, Verlust, Gefahr.
‒ Gustav Haarnack